Warum stellen wir eigentlich im Reitunterricht so selten die Frage nach dem „Warum“? Stattdessen neigen wir dazu Anweisungen auszuführen und als Richtig zu akzeptieren ohne sie zu hinterfragen? Das fehlende „Warum“ führt jedoch leider häufig zu stumm leidenden Pferden und ratlosen Reitern- manchmal auch zu verzweifelten Trainern. Dieser Artikel ist ein Plädoyer für das zu selten ausgesprochene „Warum“.

Am vergangenen Wochenende fand der Kurs eines namhaften Ausbilders statt. Ich sah mir eine Sequenz dieses Trainings an. Der Trainer unterrichtete zu diesem Zeitpunkt eine Frau mit ihrem Friesen. Seine Anweisungen gab er im schneidigen Kavallerie-Ton. Die Friesen-Reiterin hatte Probleme, ihre Hände still zu halten und störte damit ihr Pferd im Maul. Der Friese zeigte seinerseits enorme Defizite in der Losgelassenheit.

Die Lösung des Trainers: Er steckte der Schülerin Gerten in die Stiefel an denen sie sich festhalten sollte, um ihre Hände ruhig zu stellen. Dann wurde das Pferd vorwärts geschickt im flotten Stechtrab. Ergebnis: Der Friese drückte weiterhin den Rücken weg, rannte. Die Frau geriet weiterhin hinter die Bewegungen ihres Pferdes. Ihre Hände waren nun festgestellt, wodurch die Zügel sprangen. Ihr Körper versteifte sich regelrecht- eine korrekte Einwirkung über das Gewicht war nicht mehr möglich.

Was war hier passiert?

Die Schülerin hatte richtig erkannt, dass sie ein Problem damit hatte, dass sich ihr Friese einrollte. Der Trainer hatte richtig erkannt, dass die Schülerin unruhige Hände hatte und damit das Einrollproblem ihres Pferdes noch verstärkte. Anstatt aber die Ursache dieses Handproblems zu lösen indem er am Sitz der Reiterin und maßgeblich an der Mittelpositur und der Kernspannung der Reiterin arbeitete, versuchte der Trainer lediglich das Symptom-die unruhigen Hände- zu beheben.

Auch für die Probleme des Pferdes bot er keine Lösung, weil er dessen körperlichen Voraussetzungen schlicht nicht berücksichtigte (Lies dazu auch diesen Artikel). Obwohl es sich sicher nicht gut angefühlt hat, was da mit ihr und ihrem Pferd gemacht wurde, fragte die Reiterin den Trainer zu keinem Zeitpunkt, warum sie tun soll, was sie tat. Hätte sie dies getan, hätte sie vielleicht schon aufklären können, was der Trainer nicht erkannt hatte und mit ihm eventuell eine andere Lösung finden können.

Militärton macht mundtot

In gewisser Weise kann ich die Reiterin durchaus verstehen: Der Reitlehrer-Militärton sorgt auch heute noch dafür, dass viele von uns sich einfach nicht trauen, nachzufragen. Mir geht es da nicht anders. Schnell ist man eingeschüchtert und lässt einfach alles nur noch über sich ergehen. Man gibt quasi das Denken an der Tür ab, da der Ton sonst droht noch schärfer zu werden. Das allein kann aber nicht der Grund sein, warum Schüler nicht die Warum-Frage stellen. Denn auch bei Trainern, die anders kommunizieren, wird selten wirklich nachgefragt.

Warum eigentlich? Liegt es daran, dass die kindliche „Warum?“-Phase so nervig ist, dass viele Eltern ihren Kindern das „Warum“ einfach abgewöhnen? Sind wir heute in 2017 immer noch oder wieder so obrigkeitshörig, dass wir einfach immer glauben „der hat das gelernt, der ist 70 Jahre alt und Vorstand vom Trallafitti-Verein und der muss es ja wissen?“ Ist unsere Leistungsgesellschaft schuld? Augen zu und durch, wir wollen ja was erreichen?

Wenn ich mich nicht trauen kann nachzufragen und mir eine eigene Meinung zu bilden, dann stimmt etwas nicht.

Das wird schon richtig sein- oder?

Auch bei unbekannteren Trainern wird dieser „das wird schon richtig sein“-Gedanke Reitern und Pferden und auch den Trainern immer wieder zum Verhängnis. Denn wenn der Reiter nicht hinterfragt, kann der Trainer auch nicht wissen, ob der Schüler verstanden hat, was er da tut. Versteht der Schüler es nicht, arbeiten Trainer und Schüler irgendwann vielleicht in völlig verschiedene Richtungen.

Da sagt der Trainer eventuell: „Heb Deine innere Hand in der Volte leicht an, um deinem Pferd Stellung und Biegung zu erleichtern.“ Der Schüler versteht: „Innere Hand hoch ist gut.“ und fragt nicht weiter nach. Das Ergebnis ist dann ein Pferd, das im Genick völlig dicht macht, weil der Schüler stur die Hand anhebt und ein Nachgeben seines Pferdes nicht erkennt. Das bedeutet fürs Pferd Dauerdruck, der zu Gegendruck im Genick führt.

Die eigentlich gute Idee des Trainers wird ad absurdum geführt weil der Schüler denkt, etwas verstanden zu haben. In Wahrheit führt er aber etwas aus, dessen Ziel und Sinn er nicht durchschaut hat. Eine solche Vorgehensweise birgt riesiges Fehlerpotential. Gerade in der Erziehung von Lebewesen sollte uns immer klar sein, was wir mit dem, was wir tun am Ende bezwecken möchten.

Wer “warum” fragt, gewinnt

Natürlich sollte der Trainer von sich aus bestenfalls neue Inhalte verständlich erklären und immer wieder nachhaken, um sicher zu gehen, dass der Schüler verstanden hat, was er tun soll. Ob der Schüler aber immer auch wirklich den gesamten Hintergrund erfasst, kann ein Trainer nur wissen, wenn er vom Schüler ein Feedback bekommt.

Ich möchte den Unterricht des Ausbilders, den ich absichtlich nicht genannt habe, auf keinen Fall schlecht machen. Ich kann nicht beurteilen, wie er sonst arbeitet, da ich nur eine kleine Sequenz seines Unterrichtes gesehen habe. Der scharfe Ton, bei dem jeder die Hände an die Hosennaht legt, ist wahrscheinlich Geschmacksache. Für mich allerdings ein Dialogs-Killer und damit nicht besonders hilfreich.

Also: Fragt und lest euch schlau! Fragt Eurem Trainer Löcher in den Bauch! Ein guter Trainer weiß, warum er etwas tut und kann auch zugeben, wenn er mit seinem Latein mal am Ende ist und selbst nachgucken oder nachfragen muss! Und ganz egal welcher Rasse Euer Pferd angehört, denn dies betrifft nicht nur Friesen: Beschäftigt Euch mit dem Körperbau Eures Pferdes und hakt nach, ob der Trainer die speziellen Voraussetzungen Eures individuellen Pferdes und auch von Euch persönlich berücksichtigt. Dabei spielen sowohl das Exterieur als auch das Interieur eine große Rolle.

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