Der Frage „Wie motiviere ich mein Pferd?“ stellte sich an diesem Wochenende ein Fortbildungs-Seminar bei Richard Hinrichs in Fuhrberg, an dem ich teilgenommen habe. Richard Hinrichs nahm sich für eine umfassende Beantwortung dieser Frage den kompletten Tag Zeit und ging gemeinsam mit seiner Frau Irene Raab-Hinrichs, seinen Pferden und einem Team aus Reitern und ihren Pferden auf verschiedene Aspekte des Motivierens ein. Davon möchte ich Euch hier gerne berichten.

Im Zentrum seiner Ausführungen stand die Erkenntnis:

„Motivieren kann man durch das in Aussicht stellen eines Vorteils oder das Vermeiden eines Nachteils.“

— Richard Hinrichs

Doch was bedeutet das eigentlich konkret? Und was muss ich dabei beachten?

Gehen wir zunächst auf die genannten Möglichkeiten der Motivierung ein: Für das Motivieren durch das „in Aussicht stellen eines Vorteils“ bietet sich prinzipiell als einfachste Erklärung das Futterlob an. Wenn also mein Pferd etwas gut macht, belohne ich es mit einem Leckerli. Mein Pferd wird schnell verstehen: Ich bekomme etwas Leckeres, wenn ich kooperiere. Beim Reiten wird das mit dem Futterlob jedoch schnell schwierig. Gebe ich jedes Mal ein Futterlob, lernt mein Pferd eventuell sich ständig zu mir umzudrehen. Außerdem muss das Futterlob innerhalb von drei Sekunden vom Pferd mit der zu belohnenden Aktion in Verbindung gebracht werden. Sonst verbindet es das Lob z.B. eher mit dem, was es kurz vor dem Lob zuletzt getan hat.
Auf diese Form des Lobes ging Richard Hinrichs, wahrscheinlich aus diesen Gründen, in seinen Ausführungen auch nicht ein. An der Hand sah ich mehrfach, dass er bei einigen Pferden auch das Futterlob nutzte. Der in Aussicht zu stellende Vorteil für das Reitpferd steht für ihn jedoch eher im Zusammenhang mit der Aussicht auf geringere Anstrengung.

Das ist logisch: Die gymnastizierende Arbeit unter dem Reiter beinhaltet Aspekte der Koordinationsschulung und des Krafttrainings. Beide Aspekte sind für das Pferd primär erstmal anstrengend. Es muss sich konzentrieren und seine Muskeln werden beansprucht.

Also kann ich als Reiter das Wissen um die Anstrengung nutzen, indem ich die Erarbeitung von Lektionen so aufbaue, dass sie dem Pferd nicht anstrengend erscheinen. Ein gutes Beispiel hierfür war am Seminartag eine Reiterin auf einem Friesen, die eine Galopp-Pirouette trainieren wollte.

Sie begann die Arbeit mit einer Schritt-Pirouette. Das Pferd muss sich dabei auf die Koordination in der Pirouette konzentrieren- anstrengend! Nach einer Viertel-Pirouette im Schritt, gab die Reiterin die Galopphilfe und das Pferd durfte die Lektion mit einem Galoppsprung beenden. Ergebnis: Das Pferd lernt so, dass der Galoppsprung das Ende der Anstrengung bedeutet. Es wird den einen Galoppsprung als Erleichterung empfinden, obwohl die Pirouette im Galopp später eigentlich kräfteraubender ist, als im Schritt. Im Idealfall freut sich das Pferd aber durch diese Vorgehensweise schon auf den einen Galoppsprung, weil es dann weiß, dass es seine Sache gut gemacht hat und aufhören darf.

„Würde ich am Anfang schon mehrere Galoppsprünge verlangen, dann denkt das Pferd: „Ohje wie anstrengend, die hört ja nie mehr auf damit“. Ich zeige ihm ein Licht am Ende des Tunnels.“

— Richard Hinrichs

Die Motivation durch „In Aussicht stellen eines Vorteils“ haben wir jetzt verstanden. Die zweite von Richard Hinrichs genannte Möglichkeit ist das „Vermeiden eines Nachteils“. Auch hierfür gab es schöne Beispiele. So erklärte Hinrichs anhand eines Pferdes, das im Trab zu unruhig war, dieses Prinzip. Er ließ das Pferd zum Schritt durchparieren und wieder antraben.

„Dieses Pferd war mir eben etwas zu übermütig. Deswegen habe ich es zurück geführt in den Schritt. Ein solcher Übergang setzt eine hohe Koordinationsfähigkeit des Pferdes voraus. Wenn ich viele Übergänge reite, ist das für das Pferd anstrengender, als wenn wir einfach in einem ruhigen Tempo traben.“

— Richard Hinrichs

Er stellte also dem Pferd in Aussicht: Wir können doch ganz ruhig traben, das ist doch angenehmer als die anstrengenden Übergänge.

Wichtig für beide Aspekte des Motivierens ist natürlich, dass der Reiter weiß, was sein Pferd leisten kann und dementsprechend handelt. Dabei müssen Exterieur und Interieur des Pferdes berücksichtigt werden sowie der Trainingsstand. Ein Pferd das z.B. wie das zuletzt erwähnte Pferd besonders viel Bewegungsdrang hat, motiviere ich eventuell eher durch ein frischeres Tempo im Anschluss an eine versammelnde Übung. Ein phlegmatischeres Pferd, motiviere ich eher durch die Aussicht auf völlige Ruhe. Auch darauf muss ich eingehen können.

Richard Hinrichs nennt in diesem Zusammenhang noch einen weiteren Aspekt der Motivation: Den Reiter selbst. Der Mensch muss entspannt sein.

„Bin ich entspannt, entspannt sich auch mein Pferd.“

— Richard Hinrichs

Dazu gehört, dass der Reiter sich selbst und das Pferd nicht mit seinen Erwartungen unnötig unter Druck setzt. Als Mensch sollten wir, nicht denken: „Warum hast Du denn nicht die Kraft diese Lektion auszuführen, komm weiter und noch mehr und noch mehr.“ Sondern wir sollten lieber denken:

„Komm, mach die lächerlichen zwei Galoppsprünge und dann bist du fertig.“

— Richard Hinrichs

Hinrichs ist überzeugt davon, dass die Pferde diesen völlig anderen Ansatz sehr positiv aufnehmen. Ich muss also gucken, dass das, was ich von ihnen möchte, von den Pferden nicht als größere Anstrengung angesehen wird, sondern als durchführbar und ich sollte das positive Bild von der geringeren Anstrengung als Gedanken in mir tragen.

Dabei weist Hinrichs außerdem auf zwei Grundemotionen hin, die stets zu berücksichtigen sind: Liebe und Furcht. Um das Pferd als Fluchttier dazu zu bringen, mit uns zu kooperieren, benötigen wir sein Vertrauen. Nur wenn das Pferd uns vertraut, können wir uns auch in heiklen Situationen auf das Pferd verlassen.

„Wenn ich in jeder Situation konsequent bleibe und nicht ungerecht werden, dann baue ich mir Vertrauen auf.“

— Richard Hinrichs

Liebe besiegt also die Furcht. Das so gewonnene Vertrauen wiederum sorgt auch beim Pferd für Motivation. Haben wir als Menschen in einer für das Pferd beängstigenden Situation, unsere eigenen Emotionen im Griff, reagieren gelassen und konsequent und bieten dem Pferd damit einen Rahmen in dem es sich trotz der vermeintlichen Gefahr entspannen kann, verbessern wir das Vertrauensverhältnis zu unserem Partner Pferd und das Pferd wird die Möglichkeit haben, sich auf uns und das, was wir in dem Moment möchten, zu konzentrieren.

Und das führt uns wieder zu dem Punkt zurück, an dem wir berücksichtigen müssen, mit was für einem Typ Pferd wir es zu tun haben. Das eine ist vielleicht ängstlicher und benötigt mehr Sicherheit vom Menschen, das andere Pferd ist selbstbewusster und kommt mit den unterschiedlichsten Situationen gut klar. Was Richard Hinrichs uns in diesem Zusammenhang zu den Themen Anlehnung und Takt im Zusammenhang mit Motivation erzählt hat, lest Ihr demnächst im zweiten Teil dieses Berichtes.

Foto: Mireta von Rantzau

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