Warum? – Kleines Wort mit großer Wirkung

Warum stellen wir eigentlich im Reitunterricht so selten die Frage nach dem „Warum“? Stattdessen neigen wir dazu Anweisungen auszuführen und als Richtig zu akzeptieren ohne sie zu hinterfragen? Das fehlende „Warum“ führt jedoch leider häufig zu stumm leidenden Pferden und ratlosen Reitern- manchmal auch zu verzweifelten Trainern. Dieser Artikel ist ein Plädoyer für das zu selten ausgesprochene „Warum“.

Am vergangenen Wochenende fand der Kurs eines namhaften Ausbilders statt. Ich sah mir eine Sequenz dieses Trainings an. Der Trainer unterrichtete zu diesem Zeitpunkt eine Frau mit ihrem Friesen. Seine Anweisungen gab er im schneidigen Kavallerie-Ton. Die Friesen-Reiterin hatte Probleme, ihre Hände still zu halten und störte damit ihr Pferd im Maul. Der Friese zeigte seinerseits enorme Defizite in der Losgelassenheit.

Die Lösung des Trainers: Er steckte der Schülerin Gerten in die Stiefel an denen sie sich festhalten sollte, um ihre Hände ruhig zu stellen. Dann wurde das Pferd vorwärts geschickt im flotten Stechtrab. Ergebnis: Der Friese drückte weiterhin den Rücken weg, rannte. Die Frau geriet weiterhin hinter die Bewegungen ihres Pferdes. Ihre Hände waren nun festgestellt, wodurch die Zügel sprangen. Ihr Körper versteifte sich regelrecht- eine korrekte Einwirkung über das Gewicht war nicht mehr möglich.

Was war hier passiert?

Die Schülerin hatte richtig erkannt, dass sie ein Problem damit hatte, dass sich ihr Friese einrollte. Der Trainer hatte richtig erkannt, dass die Schülerin unruhige Hände hatte und damit das Einrollproblem ihres Pferdes noch verstärkte. Anstatt aber die Ursache dieses Handproblems zu lösen indem er am Sitz der Reiterin und maßgeblich an der Mittelpositur und der Kernspannung der Reiterin arbeitete, versuchte der Trainer lediglich das Symptom-die unruhigen Hände- zu beheben.

Auch für die Probleme des Pferdes bot er keine Lösung, weil er dessen körperlichen Voraussetzungen schlicht nicht berücksichtigte (Lies dazu auch diesen Artikel). Obwohl es sich sicher nicht gut angefühlt hat, was da mit ihr und ihrem Pferd gemacht wurde, fragte die Reiterin den Trainer zu keinem Zeitpunkt, warum sie tun soll, was sie tat. Hätte sie dies getan, hätte sie vielleicht schon aufklären können, was der Trainer nicht erkannt hatte und mit ihm eventuell eine andere Lösung finden können.

Militärton macht mundtot

In gewisser Weise kann ich die Reiterin durchaus verstehen: Der Reitlehrer-Militärton sorgt auch heute noch dafür, dass viele von uns sich einfach nicht trauen, nachzufragen. Mir geht es da nicht anders. Schnell ist man eingeschüchtert und lässt einfach alles nur noch über sich ergehen. Man gibt quasi das Denken an der Tür ab, da der Ton sonst droht noch schärfer zu werden. Das allein kann aber nicht der Grund sein, warum Schüler nicht die Warum-Frage stellen. Denn auch bei Trainern, die anders kommunizieren, wird selten wirklich nachgefragt.

Warum eigentlich? Liegt es daran, dass die kindliche „Warum?“-Phase so nervig ist, dass viele Eltern ihren Kindern das „Warum“ einfach abgewöhnen? Sind wir heute in 2017 immer noch oder wieder so obrigkeitshörig, dass wir einfach immer glauben „der hat das gelernt, der ist 70 Jahre alt und Vorstand vom Trallafitti-Verein und der muss es ja wissen?“ Ist unsere Leistungsgesellschaft schuld? Augen zu und durch, wir wollen ja was erreichen?

Wenn ich mich nicht trauen kann nachzufragen und mir eine eigene Meinung zu bilden, dann stimmt etwas nicht.

Das wird schon richtig sein- oder?

Auch bei unbekannteren Trainern wird dieser „das wird schon richtig sein“-Gedanke Reitern und Pferden und auch den Trainern immer wieder zum Verhängnis. Denn wenn der Reiter nicht hinterfragt, kann der Trainer auch nicht wissen, ob der Schüler verstanden hat, was er da tut. Versteht der Schüler es nicht, arbeiten Trainer und Schüler irgendwann vielleicht in völlig verschiedene Richtungen.

Da sagt der Trainer eventuell: „Heb Deine innere Hand in der Volte leicht an, um deinem Pferd Stellung und Biegung zu erleichtern.“ Der Schüler versteht: „Innere Hand hoch ist gut.“ und fragt nicht weiter nach. Das Ergebnis ist dann ein Pferd, das im Genick völlig dicht macht, weil der Schüler stur die Hand anhebt und ein Nachgeben seines Pferdes nicht erkennt. Das bedeutet fürs Pferd Dauerdruck, der zu Gegendruck im Genick führt.

Die eigentlich gute Idee des Trainers wird ad absurdum geführt weil der Schüler denkt, etwas verstanden zu haben. In Wahrheit führt er aber etwas aus, dessen Ziel und Sinn er nicht durchschaut hat. Eine solche Vorgehensweise birgt riesiges Fehlerpotential. Gerade in der Erziehung von Lebewesen sollte uns immer klar sein, was wir mit dem, was wir tun am Ende bezwecken möchten.

Wer “warum” fragt, gewinnt

Natürlich sollte der Trainer von sich aus bestenfalls neue Inhalte verständlich erklären und immer wieder nachhaken, um sicher zu gehen, dass der Schüler verstanden hat, was er tun soll. Ob der Schüler aber immer auch wirklich den gesamten Hintergrund erfasst, kann ein Trainer nur wissen, wenn er vom Schüler ein Feedback bekommt.

Ich möchte den Unterricht des Ausbilders, den ich absichtlich nicht genannt habe, auf keinen Fall schlecht machen. Ich kann nicht beurteilen, wie er sonst arbeitet, da ich nur eine kleine Sequenz seines Unterrichtes gesehen habe. Der scharfe Ton, bei dem jeder die Hände an die Hosennaht legt, ist wahrscheinlich Geschmacksache. Für mich allerdings ein Dialogs-Killer und damit nicht besonders hilfreich.

Also: Fragt und lest euch schlau! Fragt Eurem Trainer Löcher in den Bauch! Ein guter Trainer weiß, warum er etwas tut und kann auch zugeben, wenn er mit seinem Latein mal am Ende ist und selbst nachgucken oder nachfragen muss! Und ganz egal welcher Rasse Euer Pferd angehört, denn dies betrifft nicht nur Friesen: Beschäftigt Euch mit dem Körperbau Eures Pferdes und hakt nach, ob der Trainer die speziellen Voraussetzungen Eures individuellen Pferdes und auch von Euch persönlich berücksichtigt. Dabei spielen sowohl das Exterieur als auch das Interieur eine große Rolle.

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Müssen Friesen anders ausgebildet werden?

Friesen sind Traumpferde: Schwarze lange Mähne, Puschelfüße, lackschwarz. So manche Reiterin würde bei der Wahl zwischen Einhorn und Friese immer den Friesen wählen. Friesen verbinden Kraft und Schönheit auf eine ganz besondere Weise. Doch hat man solch ein Pferd einmal unter dem Sattel, fällt eins auf: Es ist auch in der Ausbildung anders. Um eingerollte Hälse und feste Rücken zu vermeiden, sollte man als stolzer Friesenbesitzer einiges beachten.

Friesen wurden ursprünglich nicht als Reitpferde gezüchtet sondern für die Kutsche. An der Kutsche gehen sie im Schritt und zeigen einen beeindruckenden Trab mit hoher Knieaktion. Eine körperliche Voraussetzung für diesen Trab ist der hoch aufgesetzte Hals.

Aber eben dieser Hals sorgt dafür, dass diese Rasse Probleme damit hat, sich auszubalancieren, den Rücken aufzuwölben und sich unter einem Reiter, der dann auch noch auf diesem kurzen festen Rücken sitzt, loszulassen. Die meisten Friesen versuchen dann das Gewicht zu „ertragen“ indem sie sich einrollen.

Friesen zeigen aufwändige Bewegungen

Der Trab mit der hohen Knieaktion ist auch nicht darauf ausgelegt flott um Kurven zu traben, sondern locker geradeaus. An der Kutsche schieben die Hinterbeine dabei vermehrt, statt zu tragen, wie wir es uns beim Reiten wünschen. Dazu kommt das Problem, dass diese Rasse ein sehr kleines Herz im Verhältnis zum massigen Körper hat. Länger anhaltendes Vorwärts-Schicken über Tempo verspannt also das Pferd auch durch Ermüdung und eventuell sogar schnell eintretenden Sauerstoffmangel, wodurch die Muskulatur wiederum nicht ausreichend versorgt werden kann. Verspannungen und noch längere Lösungsphasen in der Zukunft sind die Folge.

Was muss man daraus also schließen?

  1. ein schneller Trab wird den Rücken und den ganzen Körper eines Friesen nur noch mehr verspannen. Eventuelles Hängenlassen des Kopfes am Ende der Trainingseinheit zeugt dann nicht von Losgelassenheit sondern von Erschöpfung
  2. für das Bewältigen von Kurven in einer Reitbahn muss das Pferd mit der Hinterhand Last aufnehmen. Das muss ein Friese erst einmal trainieren, dafür ist er auch eigentlich nicht gebaut (steile Hinterhand, häufig hohe und massige Kruppe). Trainieren lässt sich die dafür nötige Kraft nur über sehr kurze Reprisen und viele Verschnaufpausen damit die Muskulatur nicht verspannt.
  3. das Einrollen kann ergo in diesem Fall (übrigens ist dieser Lösung selten eine gute Idee- auch bei anderen Rassen) nicht über ein schnelles, langanhaltendes Vorwärts-Schicken behoben werden. Es wird eher zu einer verschlimmerten Muskelermüdung führen, wodurch der Friese sich noch mehr versuchen wird, einzurollen. Ein Teufelskreis.
  4. Auch ein Galopp kann bei Friesen nicht über langanhaltendes Galoppieren trainiert werden. Trageerschöpfung von Rücken und Gelenken wäre die Folge sowie eventuell sogar ein Herzfehler.

Wie alle Pferde, muss auch beim Friesen das Training individuell zum Pferd passen. Auch beim Friesen gibt es nicht “den Masterplan”, der für alle Pferde gilt, sondern lediglich Parameter, die dafür sorgen, dass dem Friesen die Freude am Training nicht vergeht:

  • kurze Reprisen
  • kurze Trainingseinheiten
  • Vorbereitung über die gewichtslose Arbeit am Boden (klassische Arbeit an der Hand)

Lest hierzu auch diesen Artikel von mir!

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Feine Hilfen: Ist da ein Kraut gegen gewachsen?

Aus der Ausgabe 10

Immer mehr Ställe bieten artgerechte Haltungsformen mit viel Weidegang. Gleichzeitig leiden immer mehr Pferde an Wohlstandserkrankungen. Können wir die Vegetation von Pferdeweiden so beeinflussen, dass die Zusammensetzung des Wiesenaufwuchses pferdegerechter wird?

Fast Food macht krank. Was für uns Menschen zutrifft, gilt auch für Pferde. Zuckerhaltige und einseitige Ernährung führt auch bei ihnen zu Adipositas. Heute leiden schon 50% unserer Freizeitpferde an dieser Erkrankung. Und Adipositas- also Fettleibigkeit- führt genau wie bei uns Menschen auch beim Pferd zu weiteren Erkrankungen: Cushing, EMS und Sommerekzem sind drei Begriffe, von denen die meisten Reiter und Pferdebesitzer vor einigen Jahren nur eine vage Vorstellung hatten. Heute gehören diese Diagnosen beim Tierarzt zum Standart und der Markt mit entsprechenden, auf die Bedürfnisse von erkrankten Pferden abgestimmten Futtermitteln, boomt. Doch woran liegt das? Hat sich etwas verändert in den letzten Jahren?

Die Antwort ist: Ja. Dabei sind die Änderungen für Pferde zunächst grundsätzlich positiv zu werten. Statt dunkler Boxenhaft wünschen sich heute immer mehr Besitzer von Freizeitpferden für ihren Vierbeiner eine artgerechte Haltung. Dazu gehört neben ausreichend Raufutter und Gruppenhaltung natürlich auch der Weidegang. Vor noch nicht allzu langer Zeit war es Usus, dass Pferde in Boxen nur für den sportlichen Gebrauch gehalten wurden und bestenfalls stundenweise auf ursprünglich intensiv genutzten ehemaligen Kuhwiesen grasen durften. Das hat sich glücklicherweise weitestgehend geändert. Die Reiterwelt denkt um und vielerorts gehört es heute zum Argument für einen Stall, wenn die eingestellten Pferde ohne zeitliche Begrenzung auf der Wiese stehen dürfen. Das Problem: Die ehemals intensiv genutzte Kuhwiese bleibt dieselbe und während das Sportpferd zwei Stunden Weidezeit mit reichlich Energie in Form von Speicher-Kohlehydraten noch gut vertragen hat, ist seine Verdauung mit der Rund-um-die-Uhr-Aufnahme von Hochleistungsgräsern hoffnungslos überfordert. Noch schwieriger wird es für seinen Kumpel, den Isländer, Tinker oder Friesen. Dessen Verdauung ist durch seine Herkunft und Zucht auf kargere Kost eingestellt und sein Stoffwechsel erliegt dem Überangebot an Fruktanen und Proteinen noch schneller.

Die Folge: Diabetes, hormonelle Entgleisungen und Allergien

Aber „Ist Gras denn nicht gleich Gras? Und was macht das Gras denn so gefährlich?“ wird sich jetzt so mancher fragen. Allen Gräsern gemein ist die Fähigkeit, mit Hilfe von Licht Energie herzustellen: Das nennt sich Photosynthese. Dabei produziert die Pflanze unter Verwendung von Kohlenstoffdioxid und Wasser Zucker. Diesen braucht sie um zu wachsen. Produziert die Pflanze aber mehr Zucker als sie zum Wachsen braucht, lagert sie den Zucker in Form von Speicherkohlenhydraten ein. Die primären Speicherkohlenhydrate unserer Weidegräser sind Fruktane.

Die Gräserzusammensetzung von Kuhweiden wurde in den vergangenen 100 Jahren auf immer höhere Erträge und somit immer mehr Leistung im Energiebereich gezüchtet. Das bedeutet, dass viele der Gräser auf unseren Pferdeweiden dazu gezüchtet wurden, besonders viel Fruktan einlagern zu können. Kühe brauchen diese Energie für ihre Milchleistung. Pferde aber weisen neben einem geringeren Energiebedarf auch bezüglich ihrer Weidenutzung und Verdauung große Abweichungen zum wiederkauenden Paarhufer-Kollegen auf. Im Vergleich zu Kühen hat das Pferd nur einen kleinen Magen und ist darauf angewiesen, den ganzen Tag über kleine Mengen an rohfaserreichem, energiearmem Futter aufzunehmen.

Fruktan zu messen ist schwierig, denn der Gehalt in der Pflanze schwankt über den Tag und über das Jahr. Es gibt aber Faktoren, von denen wir wissen, dass sie die Fruktanleistung der Pflanze beeinflussen. Dazu gehört neben der Pflanzen- und Zuchtsorte auch die Temperatur, die Nährstoffverfügbarkeit, die Wasserverfügbarkeit, die Lichtintensität und der Überweidungsdruck.

Um zu veranschaulichen, was das für unser Pferd bedeutet, hier einige Beispiele: Knaulgras enthält pro Kilogramm Trockenmasse Gras je nach Temperatur acht bis 130 Gramm Fruktan. Der Wiesenschwingel enthält bei Wärme gar kein Fruktan, bei kälterem Wetter speichert er aber bis zu 220 Gramm. Das Deutsche Weidelgras schlägt mit 10 Gramm bei warmer Witterung und bis zu 210 Gramm bei Kälte zu Buche, während Lischgras nur zwei bis 111 Gramm speichert.

Um eine Hufrehe auszulösen bedarf es 7,5 Gramm Fruktan pro Kilogramm Lebendgewicht des Pferdes. Fünf Gramm gelten allerdings schon als kritischer Grenzwert. Ein 500 kg schweres Pferd nimmt pro Tag etwa 60 Kilogramm frisches Gras zu sich. Dieses enthält etwa 20 Prozent Trockensubstanz- also 12 kg. Rechnet man nun 12 x 210 Gramm und teilt das Ergebnis durch die 500 kg Lebensmasse, stellt man fest dass es 5,04 Gramm Fruktan pro Kilogrammn Lebendgewicht aufnimmt und damit schon im kritischen Bereich liegt. (Zahlen: Dr. rer. nat. Renate U. Vanselow: „Pilze im Gras-freundliche Symbiose oder Gefahr für Weidetiere?“ aus Pferd & Freizeit (2006/2))

Die Gefahr ist je nach Wetterlage also sehr hoch, dass unsere Pferde zu viel des Speicherzuckers zu sich nehmen. Am niedrigsten sind die Fruktangehalte in Pflanzen morgens nach einer Nacht, in der die Temperaturen deutlich über 5 Grad Celsius lagen. Am höchsten liegen sie bei Temperaturen unter 5 Grad.

Ein weiteres Problem unserer artenarmen Wiesenaufwüchse ist die daraus resultierende Fehl- weil zu einseitige Ernährung. In freier Natur kommt es dazu nicht, weil das Wildpferd sich aus einem reichhaltigen Angebot aussucht, was es gerade braucht, um seinen Bedarf an Energie, Rohfaser, Spurenelementen und Mineralstoffen zu decken. Dazu gehören neben Gräsern auch Kräuter, Blätter von Bäumen, Schilf, Wurzeln, Samen sowie Mineralien aus der Erde. Ideal wäre es also, wenn das Pferd trotz des begrenzten Platzangebotes auf heutigen Weiden angehalten wäre, mehr Zeit damit zu verbringen, sein Futter zu selektieren:

Arten wie das wollige Honiggras oder der bitter schmeckende Glatthafer, die Pferde nicht ganz so gerne fressen, könnten die Fresszeiten ebenso verlängern wie die besonders rohfaserreichen Sorten Knaul- und Wiesenlieschgras. Mineralstoffreiche Kräuter runden das Angebot der artenreichen Weide, die dem Pferd eine ausgewogene Ernährung bietet, ab. Artenarme Wiesen wirken stattdessen wie Fast-Food und bedrohen die Pferdegesundheit. (Quelle: Margitta Sharma: „Hufrehe und anderen Zivilisationserkrankungen vorbeugen durch richtiges Weidemanagement“)

Ist das moderne Freizeitpferd in einem eigentlich seinen natürlichen Bedürfnissen Luft, Licht, Gesellschaft und ständige Nahrungsaufnahme angepassten Stall gelandet, gilt es seitens der Fütterung also immer noch einiges zu beachten, damit es sich auch dauerhaft wohlfühlen kann und gesund bleibt: Neben einem den neuen Bedingungen angepassten Management von Bewegung und Kraftfutter sollten die Zusammensetzung und Herkunft des Raufutters, die Artenvielfalt des Gräseraufwuchses auf der Weide sowie ein sinnvolles Weidemanagement Beachtung finden. Die ideale Vegetationszusammensetzung für den Stoffwechsel von Pferden besteht aus 60% Gräsern, 20-30% Kräutern und 10-15% Klee. Dabei ist wichtig, dass die Kräuter geringere Fruktangehalte haben, gute Mineralstofflieferanten sind und eine diätetische Wirkung haben.

Soweit so gut. „Dann muss eben der Landwirt die geeignete Gräsersaat ausbringen!“ wird der ein oder andere jetzt sagen. Doch eben das ist nicht ganz so einfach. Unsere Pferde sorgen nämlich mit ihrer Anatomie und ihrem Fressverhalten dafür, dass jede Pferdeweide, die intensiv genutzt wird, im Sommer schnell aussieht wie eine gelbe Staubhölle, im Winter wie ein Matschloch. Pferde neigen dazu, den Grasbestand sehr tief abzuweiden, da sie mit den Schneidezähnen das Gras sehr tief abrupfen. Dazu kommt, dass sie mit ihren Hufen den Boden stark verdichten. Beides sind keine guten Ausgangsfaktoren für eine gut wachsende artenreiche Wiese. Außerdem sind einige Gräser nicht so widerstandsfähig wie andere. Wiesenrispe, Weidelgras und Weißklee sind die drei Arten, die am besten mit der verheerenden Dauernutzung durch Pferde klarkommen. Viele Kräuter und Gräser verabschieden sich ganz schnell bei dieser Behandlung und sind nur sehr schwer wieder anzusiedeln.

Da aber eben gerade dieses durchsetzungsstarke Trio Wiesenrispe, Weidelgras und Weißklee besonders viele verwertbare Kohlehydrate enthält, dabei aber nur wenig Rohfaser, ist es für die Pferdeverdauung eher ungeeignet. Klee enthält außerdem besonders viel Eiweiß und steht im Verdacht Einfluss auf das hormonelle Geschehen bei der Stute zu nehmen. Besteht die Wiese hauptsächlich aus Weidelgräsern, droht sie im Sommer schnell umzukippen. Dann fressen Pferde das Gras nicht mehr und schnell fault oder schimmelt es sogar unter den am Boden liegenden Halmen. Das liegt daran, dass Wiesen mit vorherrschendem Weidelgrasbewuchs kein natürliches Verhältnis zwischen Ober- und Untergräsern aufweisen, die sich gegenseitig stützen. Es fehlt der Wiese am artenreichen Fundament.

Was also ist zu tun?

Diese Frage stellten sich auch MSc. Luisa Zielke von der Universität Greifswald und Dr. Jürgen Müller von der Universität Rostock. Sie führten gemeinsam einen Versuch durch, um zu klären, ob Kräuterbeisaaten den Kräuteranteil auf Pferdeweiden tatsächlich langfristig erhöhen können und ob das den Fruktangehalt von Pferdeweiden nachhaltig verringern kann. Außerdem untersuchten die beiden, ob und wenn ja, welche Düngung für die Beeinflussung des Fruktangehaltes und die Vegetationszusammensetzung geeignet ist.

Das Ergebnis ist überraschend: Die für den Versuchsstandort nahe Rostock ideale Kräuterbeisaat von Löwenzahn, Spitzwegerich und Wilde Möhre konnte sich sowohl im grasbetonten als auch im krautbetonten Ausgangsbestand im Versuchsverlauf behaupten und bildete nach sieben Jahren einen Anteil von eta 30-40% des Wiesenaufwuchses. Dabei war völlig unerheblich, ob die Versuchsparzellen gedüngt wurden oder nicht. Die in vielen handelsüblichen Pferdeweidesaatmischungen enthaltenen Gräserarten Wiesenschwingel und Rohrschwingel hingegen waren nach sieben Jahren völlig aus dem Bestand verschwunden. Diese beiden Arten, die zu den horstbildenenden Gräsern gehören, also in Büscheln wachsen, konnten sich auf dem sandigen und grundwasserfernen Standort nicht gegen die Gräser durchsetzen, die sich auch unterirdisch ausbreiten können und eine dichtere Grasnarbe bilden.

Hinzu kommt, dass der sandige und zur Trockenheit neigende Standort nicht ihren ökologischen Ansprüchen gerecht wird.

Fazit der beiden Forscher: Eine langfristige Etablierung standortangepasster Kräuter und damit eine Reduzierung des Gesamtfruktangehalts ist möglich. Allerdings sollte man die Standortbedingungen bei der Wahl der Kräuter und Gräser berücksichtigen und die Weide gut pflegen.

Zur Weidepflege gehört auch, dass sie wechselnd genutzt- also mal gemäht und mal beweidet, wird. Eine ausschließliche und ständige Nutzung durch Pferde verursacht zu großen Verbiss und verhindert eine optimale Aussaat und Vermehrung. Hilfreich beim Erhalt der Kräutervielfalt auf einer Wiese kann auch die Saat von Kräuterparzellen sein. Hier werden Teile der Wiese so abgesteckt, dass die Pferde nicht daran kommen und dann mit den gewünschten Kräutersamen bestückt. Sind die Pflanzen groß genug, samen sie auf die umliegende Weide aus und sorgen so immer wieder für Kräuternachwuchs. Achtet man beim Ausbringen von Kräutersamen auf Pferdeweiden nicht darauf, werden die leckeren Kräuter, bevor sie aussamen können, vom Pferd verzehrt, und das Einsähen bringt nur im ersten Jahr den gewünschten Erfolg. (Quelle: Dr Christina Fritz: „Pferde gesund füttern“, Cadmos Verlag (1. April 2013))

Wer all das weiß und die Grundregeln beachtet, stellt die Weichen für einen artenreichen Speiseplan seines Pferdes. Unter Berücksichtigung einiger Spielregeln, kann dadurch auch die Fruktanaufnahme drastisch reduziert und das Risiko von schwerwiegenden Erkrankungen eingeschränkt werden. Wenn Ihr Pferd jetzt noch seinen täglichen Trainingsplan einhält, ist das Schreckgespenst „Adipositas“ hoffentlich bald nur noch graue Theorie.

Wie manage ich in Zukunft meine Weide, um den Nährstoffgehalt für mein Pferd zu optimieren?

  1. Nach der letzten Herbstbeweidung Pferdekot von den Weiden absammeln. Sinnvollerweise wird das Kotabsammeln alle ein bis drei Tage während der gesamten Saison durchgeführt. Dies vermindert den Infektionsdruck durch Parasiten.
  2. Abschleppen der Weiden im Frühjahr zum Einebnen von Maulwurfshügeln und Trittschäden
  3. Walzen von lockeren, aufgebrochenen Flächen
  4. Die Weide während der gesamten Saison nach Giftpflanzen absuchen (Eibe, Adlerfarn, Hahnenfuß, Greiskraut, Feuerbohne, Tollkirsche, gefleckter Schierling, Herbstzeitlose u.a.) Einzelne Pflanzen sollten inklusive ihrer Wurzeln ausgestochen werden. Eine chemische Unkrautbekämpfung ist nur vor der Nachsaat bei starker Verunkrautung mit Ampfer, Brennnessel oder Distel angezeigt.
  5. Schäden der Grasnarbe und Lücken durch gezielte Reparatur-Nachsaaten schließen, bei Mattscheiben und besonders geschädigten Flächen Nachsaat mit einer Saatenmischung für Pferdeweiden
  6. Bodenuntersuchung durchführen lassen auf die wichtigsten Nährstoffe Phosphor, Kalium, Magnesium, Schwefel und Kalk. Nur wenn bekannt ist, welche Nährstoffe fehlen, kann gezielt und sinnvoll gedüngt werden. Zeigerpflanzen helfen schon bei einer augenscheinlichen Begutachtung.
  7. Falls erforderlich wird nun nach Empfehlungen der Bodenuntersuchung gedüngt
  8. Der letzte Schritt ist die zusätzliche Stickstoffdüngung. Diese ist bei Pferdeweiden nur nötig um eine Unterversorgung mit Stickstoff, die eine Verbreitung des Weißklees begünstigt, zu vermeiden. Stickstoff sollte am besten in Form von Kalkstickstoff ausgebracht werden. Kalkstickstoff wirkt auch gegen bestimmte Wendeparasiten und Unkräuter und wirkt gleichmäßig und langanhaltend. (Die Pferde dürfen frühestens drei Wochen nach dem Düngen mit Kalkstickstoff die Flächen beweiden, noch besser ist eine vorherige Mahd.)
  9. Bei der Nutzung der Weiden ist zu beachten, dass die Narbe nicht geschädigt wird. Pferde daher bei Regen und nassem Wetter nicht auf die Weide treiben. Für regelmäßige Koppelumtriebe mit kurzen Fress- und langen Ruhezeiten sorgen, damit der Verbiss nicht zu groß ist.
  10. Schnitt- und Weidenutzung sollten sich abwechseln. Die richtige Schnitthöhe liegt bei 6-7 cm.
  11. Bei wenig Platz und vielen Pferden ist eine zeitliche Begrenzung der Weidenutzung sinnvoll. Man geht von ausreichend Platz aus, wenn jedem Pferd des Bestandes ein Hektar (10 000m2) Wiese zur Verfügung steht. Bei fruchtbaren Wiesen sollte schon aus gesundheitlichen Gründen eine zeitliche Weidezeitbegrenzung stattfinden. Magere Weiden sind große Flächen mit reichlich Rohfaser. Abgeweidete Wiesen sind nicht mager, sondern können aufgrund des starken Kleegehaltes sehr gefährlich werden für Pferde.
  12. Einsähen von pferdesicheren Kräuterparzellen kann die Artenvielfalt fördern.
  13. Zusätzliche Versorgung der Pferde mit ausreichend Raufutter, das nicht von derselben Fläche stammt, sorgt für weniger Verbiss und für eine Düngung der Flächen.

Quelle: Alexandra Jurr: „Weidemanagement ernst nehmen“ für die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen 10.04.2013 www.landwirtschaftskammer.de

Feine Hilfen Ausgabe 10 Cover

Feine Hilfen- was für ein Heft ist das?

„Feine Hilfen“ ist eine neue Mischung aus Buch und Magazin- also ein Bookazin. Es erscheint jeden zweiten Monat im Cadmos Verlag und ist für Reiter gedacht, die ihre Pferde im Sinne der klassischen Reitkunst- also artgerecht und mit dem Ziel der gesunderhaltenden Gymnastizierung- halten, ausbilden und trainieren möchten. Dabei stehen in den Artikeln des Bookazins sowohl psychische als auch physische Besonderheiten des Wesens “Pferd” im Fokus. Renommierte Ausbilder wie z.B. Thomas Ritter, Marlitt Wendt, Kathrin Brunner-Schwer oder Sibylle Wiemer, um nur einige zu nennen, schreiben und philosophieren hier über unser liebstes Thema.

Wer mehr als nur meinen Artikel lesen möchte kann das Feine Hilfen Bookazin hier bestellen.

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Frédéric Pignon in der Ausgabe 17 des FEINE HILFEN Bookazine

Feine Hilfen: Interview mit Frédéric Pignon

Schwerpunktthema: Die Basis am Boden

Wer sein Pferd später fein reiten möchte, muss sein Jungpferd erst mal am Boden darauf vorbereiten. Und auch Pferde, die verletzt waren und wieder antrainiert werden müssen, oder ältere Pferde, sowie Pferde im Training, die einfach mal Abwechslung brauchen, sollten regelmäßig am Boden gymnastiziert werden. Im zweiten Teil der FEINE HILFEN Ausbildungsserie, haben deshalb alle Autoren ihren Fokus auf die vorbereitende Arbeit des Jungpferdes vor dem Anreiten gelegt. Dabei geben sie auch Tipps für den täglichen Umgang am Boden, für das Longieren und die Handarbeit. Diese gelten für Pferde aller Alters- und Ausbildungsstufen.

Wie immer in den FEINE HILFEN Bookazins äußern sich auch dieses Mal wieder Autoren unterschiedlicher Ausbildungsstile. So finden sich Unterschiede ebenso wie Parallelen aber auch erstaunliche Gemeinsamkeiten: z.B. sind sich alle für das Bookazin befragten Experten einig, dass ein Pferd bevor es geritten werden kann, am Boden auf seine Aufgabe als Reitpferd vorbereitet werden muss. Durch diese Arbeit wird nicht nur die Muskulatur gestärkt, sondern auch das Vertrauen zum Menschen, das für eine harmonische Beziehung und somit für Reiten in Leichtigkeit so unentbehrlich ist.

Für die kommende Ausgabe der FEINE HILFEN befragte ich Frédéric Pignon am Telefon zum Thema des aktuellen Heftes und dazu, welche Trainingsphilosophie der Arbeit von ihm und seiner Frau zugrunde liegt. Frédéric Pignon und seine Frau Magali Delgado stehen für feinste Kommunikation mit dem Pferd und pferdegerechtes Horsemanship. Oberstes Ziel von beiden ist, eine funktionierende Kommunikation zwischen Mensch und Pferd zu entwickeln. Ist dieser Grundstein gelegt, sorgt das für eine harmonische Zusammenarbeit im Sinne des Pferdes.

Interview (Auszug)

Feine Hilfen: Was stellt für Sie die Basis für die Arbeit mit dem Pferd dar?

Frédéric Pignon: Vor allem anderen arbeiten wir an unserer Beziehung zum Pferd. Das heißt, bevor wir irgendeine technische Methode anwenden, müssen wir zunächst eine Bindung herstellen – eine Beziehung etablieren, in der wir uns gegenseitig vertrauen. Das ist für mich die allererste Etappe.

Feine Hilfen: Sie beginnen also immer am Boden mit der Arbeit?

Pignon: Ja. Mit einem neuen jungen Pferd in unserem Team arbeiten wir zunächst einmal etwa 6 Monate nur an den Basics: Wir bauen Vertrauen auf, wir zeigen ihm, dass es mit uns mitkommen kann und dass wir echt nett sind. Wir arbeiten also zuerst wirklich nur an unserer Beziehung und an einer starken Bindung. Auch wenn das Pferd schon geritten wurde, starten wir mit diesen Basics und wir erwarten erst mal so gut wie gar nichts. Wir wollen das Pferd kennen lernen und dafür sorgen, dass das Pferd uns kennenlernt.

Wenn Ihr meine weiteren Fragen und Frederic Pignons Antworten darauf lesen wollt, dann könnt Ihr das aktuelle Heft ab sofort HIER beim Cadmos-Verlag bestellen.

Besonders freuen könnt Ihr Euch dann auch auf die weiteren spannenden Artikel zum Thema “Die Basis am Boden” insbesondere von Ausbildern und Autoren wie David de Wispelaere, Manolo Oliva, Christin Krischke, Katharina Möller, Dr. Thomas Ritter, Kathrin Brunner-Schwer uvm.

Feine Hilfen Ausgabe 17 Cover

Ich wünsche Euch viel Spass beim Lesen!

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Feine Hilfen: Interview mit Dominique Bélaud

Aus der Ausgabe 14

Letztes Jahr im Juni traf ich im Südwesten Frankreichs den von Philippe Karl lizensierten Légerté-Ausbilder Dominique Bélaud. Ich nutzte diese Begegnung für ein Gespräch mit ihm über den Galopp. Das so entstandene Interview erschien in der Ausgabe 14 des Bookazins Feinen Hilfen.

Bélaud unterrichtet seit fünfzehn Jahren nach der Methode von Philippe Karl und war vorher Schüler von französischen Reitmeistern wie François Lucas und dem Nuno Oliveira Schüler Louis Fabre. Danach gefragt, was ihn besonders an Philippe Karl fasziniert, antwortet er:

„Die guten Reitmeister zeigen einem mit Hilfe ihrer Pferde, dass es echte Leichtigkeit in der Reiterei gibt. Meist machen sie einen regelrecht süchtig danach, erklären aber nicht ausreichend, wie man selbst zu dieser Leichtigkeit findet. Philippe Karl war der erste, der mir ganz genau erklären konnte, wie man es schafft und er erklärt es so, dass es mit jedem Pferd klappt.“

— Dominique Bélaud, Légerté-Ausbilder

Mit diesem Interview nutzten wir die Gelegenheit, an Dominique Bélauds Wissen darüber, was bei der Galopparbeit besonders wichtig ist, teilhaben zu dürfen.

Feine Hilfen: Welchen Stellenwert hat für Sie der Galopp in der Ausbildung des Pferdes?

Dominique Bélaud: In der Ausbildung junger Pferde hat der Galopp für mich einen untergeordneten Stellenwert. Das Problem junger Pferde liegt vor allem darin, dass viele von ihnen nicht direkt ausbalanciert unter dem Reiter galoppieren können. Man darf niemals ungeduldig bei der Erarbeitung des Galopps werden und ihn zu schnell herbeiführen wollen, nur weil er eine Grundgangart ist. Es gibt sogar Pferde, die erst galoppieren können, wenn man sie über die Seitengänge im Schritt und Trab vollständig aufgebaut hat. Ein Pferd, das Sie zum Beispiel rechts galoppieren möchten und das dabei auseinander fällt, bedarf einer systematischen Vorbereitung im Travers, sonst können sie es nicht auf dem richtigen Fuß angaloppieren. Der Reiter muss schlau genug sein, zu wissen, wann der Moment für den ersten Galopp gekommen ist.

Weitere Fragen, die ich Dominique Bélaud im Interview gestellt habe:

  • Welchen gymnastischen Nutzen hat der Galopp?
  • Sehen Sie einen speziellen Nutzen in der Galopparbeit für das junge Pferd?
  • Was halten Sie vom Renngalopp im Gelände? Ist er förderlich für die Dressurarbeit oder nicht?
  • Ab wann lassen Sie dann ein Pferd unter dem Reiter galoppieren und wie viel?
  • Wie sorgen Sie dafür, dass das Pferd leicht bleibt in der Galopparbeit?
  • Welche Hilfengebung empfehlen Sie für den Galopp, um das Pferd im Gleichgewicht zu halten und nicht zu stören?
  • Ist Ihrer Meinung nach zu viel Galopp schädlich?
  • Wie erarbeiten Sie die Galopp-Pirouette?
  • Wie erarbeiten Sie fliegende Wechsel? Erarbeiten Sie erst den Außengalopp oder erst die fliegenden Wechsel?

Feine Hilfen Ausgabe 14 Cover

Die spannenden Antworten des französischen Légèreté-Ausbilders auf diese Fragen könnt Ihr in Ausgabe 14 des Bookazins Feine Hilfen nachlesen. Dieses könnt Ihr HIER bestellen.

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Feine Hilfen: Pferdefütterung 4.0- das neue alte Fütterungssystem

Aus der Ausgabe 13

In den meisten Ställen herrscht beim Thema Fütterung Ratlosigkeit – echte Stallmeister, die direkt erkennen, was ein Pferd braucht und es individuell über die Nahrung unterstützen, gibt es heute kaum noch. Und die Anforderungen an unseren Freizeitpartner sind andere als an das Arbeitspferd vor 100 Jahren. Welche Systeme gibt es welche Fütterung macht nach aktuellstem Wissenstand Sinn?

System Pferd? Das ist das Thema dieser Ausgabe der Feinen Hilfen. Dazu fallen uns natürlich spontan verschiedene Reitweisen und Trainingsansätze ein und die Rückbesinnung auf die Werte der klassischen Reitkunst. Doch auch in der Pferdefutterküche sorgt ein Umbruch des bisher gängigen Fütterungssystems für Aufruhr.

Während Reiter immer häufiger dem Sport den Rücken kehren und sich auf die klassische Reiterei und auf das Wissen der alten Meister zurückbesinnen, findet, zumeist noch unbemerkt, eine kleine Fütterungsrevolution statt, die eigentlich auf denselben Zug aufspringt. „Die Fütterung von reichlich Heu, im Sommer Gras und dazu leistungsangepasst Hafer hat sich schon vor 100 Jahren bewährt. In dieser Zeit, waren Pferde noch überlebenswichtige Fortbewegungs- und Arbeitsmittel für den Menschen.“ erklärt Dr. Christina Fritz. Sie ist Biologin, promovierte in Tierphysiologie und Neurobiologie (Pferde gesund füttern, Cadmos Verlag) und fordert eine Rückbesinnung auf eine naturnahe Fütterung. Auch Dr. Tanja Romanazzi (Tierheilpraktikerin und Bloggerin www.offenstallkonzepte) hält das für sinnvoll. Sie meint: „ Die Fütterung sollte aus Heu, Ästen und Blättern und bei Bedarf Hafer und einem natürlichen Mineralfutter bestehen.“ Aber warum gibt es heute all die Müslis, Öle, Pellets und Co? Was fütterten die Menschen vor dem zwanzigsten Jahrhundert und was entspricht eigentlich wirklich dem Verdauungssystem von Pferden?

Das Verdauungssystem von Pferden hat sich seit 6000 Jahren nicht verändert

Grundsätzlich ist das Pferd ursprünglich ein Wildtier, das sich den Gegebenheiten seiner Umgebung ernährungsphysiologisch perfekt angepasst hat. Fütterungssysteme für Pferde basieren immer auf Annahmen, die die Natur des Pferdes betreffend. Interessant dabei ist, dass sich in den vergangenen 6000 Jahren nichts am Verdauungssystem von Pferden verändert hat, Fütterungssyteme jedoch kommen und gehen. Im Laufe der Jahrhunderte waren sie meist regionalen, saisonalen und logistischen Bedingungen unterworfen und zielten immer auf eine ausreichende Energieversorgung ab.

Helmut Meyer und Manfred Coenen beschreiben in ihrem Buchklassiker „Pferdefütterung*“ sehr schön die Entwicklung der Nahrungsaufnahme des Pferdes in freier Natur und in Obhut des Menschen vom vor rund 60 Millionen Jahren lebenden, Laub, Früchte und Samen fressenden Eohippus zum durch Klima- und Umgebungsänderungen entstandenen einhufigen Fluchttier Equus, das auch harte Gräser mit seinen nun breiteren und größeren Backenzähnen zermahlen kann und dessen Verdauungstrakt unterschiedliche Futtermittel aus Wald und Steppe verdaut.

Die ersten Hauspferde, die vermutlich im vierten bis dritten Jahrhundert vor Christus domestiziert wurden, versorgte der Mensch weiterhin mit den in der Natur vorhandenen Ressourcen. So fraßen die Tiere im jahreszeitlichen Rhythmus, was die Natur an Nahrung bot. Dieses System könnte man als „System Pferdefütterung 1.0 bezeichnen. Es wurde abgelöst von der Version 2.0, die durch die im zweiten Jahrhundert vor Christus größer werdenden Ansprüche an das Pferd als Trag-, Reit- und Wagentier aufkam: Ziel war eine bessere Energieversorgung – die Getreidefütterung fand ihren Ursprung. Neben Gras, Heu, Stroh und Luzerne fütterten die Menschen im Vorderen Orient und im Mittelmeerraum nach und nach nun auch Gerste, Weizen, Wicken, Erbsen und Kichererbsen.

Lange hielt sich die natürliche, den Jahreszeiten angepasste Fütterung

Erst bei den Römern findet man Quellen, die Hafer erwähnen. Das Mittelalter sorgt mit schweren Rüstungen für Reitergewichte bis zu 170 Kilogramm, die ein Pferd tragen muss. Außerdem beginnt hier der Einsatz von Pferden im Ackerbau. Trag- und Zugleistung konnte ein Pferd nur mit ausreichender Energieversorgung zum Beispiel über Hafer, eingeweichte Gerste und Roggen, Hirse, Dinkel, Weizen und Leinkuchen erbringen. Das verabreichte Raufutter bestand aus Heu, Gerstenstroh, Klee, Wicken und Schilf. Interessant ist, dass die Menschen damals besonderen Wert auf die Fütterungstechnik legten. So wurden Arbeitspferde beginnend um vier Uhr morgens vier Mal im Laufe des Tages gefüttert, manchmal auch noch um Mitternacht. Das deckt sich mit heutigen Erkenntnissen: Ein Pferd sollte nie länger als vier Stunden ohne Futterzufuhr gehalten werden, da sich sonst Magengeschwüre bilden können.

Auch die alten Meister des Barocks hatten ihre eigenen Fütterungspraktiken. „Die Menge des Futters muss mit dem Geist, dem Temperament und der Arbeit des Pferdes im Verhältnis stehen. Heu, Stroh und Hafer sind diejenigen Nahrungsmittel, derer man sich gewöhnlich zur Fütterung der Pferde bedient.“ schrieb Francois Robichon de la Guérinière im 17. Jahrhundert in seinem Buch „École de cavalerie“. Er erwähnt auch Pferdebohnen, Gerste, Kleie und die Grasfütterung, beschränkte die Heufütterung aber auf sechs bis sieben Pfund pro Tag. Dazu fütterte er ein Bund Stroh von acht bis neun Pfund.

Wissenschaftliche Studien entstanden erst ab dem 20. Jahrhundert

Wissenschaftliche Studien zum Thema Pferdefütterung wurden erst Anfang des 20. Jahrhundert durchgeführt. In dieser Zeit gab es wieder eine Veränderung der Aufgabenstellung an das Pferd: Zunehmend wird es neben Landwirtschaft und Kavallerie auch unter Tage sowie im Personentransport eingesetzt und zieht Kutschen und später Straßenbahnen. Da Kriege, Tagebau und Städte neue Ansprüche an die Fütterung stellten, kamen nun Trockenfuttermittel und konzentrierte Futtermischungen wie z.B. Futterbrote, die zum Beispiel aus Hafer- und Gerstenschrot, Leinsamen und Erbsen bestanden und am Sattel mitgeführt werden konnten, zum Einsatz.

In den 30er Jahren beginnen überwiegend Militärveterinäre Stoffwechselstörungen und den Futterbedarf des Pferdes systematisch zu untersuchen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die für die Kavallerie entwickelten Pferdemischfutter aus praktischen Gründen weiter entwickelt zu pelletiertem Mischfutter.

Fast schon ausgemustert, begann der Siegeszug der Sportpferde

Denn wieder änderten sich die Ansprüche an das Pferd als Begleiter des Menschen. Nach dem Krieg technisierte man zusehends auch die Landwirtschaft. Pferde wurden hier nach und nach überflüssig und auch die Armeen setzen nun verstärkt auf Technik. Nur im Sport macht der Einsatz von Pferden plötzlich noch Sinn. Und was zunächst aussieht wie das „Aus“ für die Vierbeiner, entwickelt sich ab den 1970er Jahren sprunghaft zu einem Geschäft: Das Pferd wird zum Freizeit- und Sportpartner von immer mehr Menschen.

Anfang des 21. Jahrhunderts ist das Pferd ein starker Wirtschaftsfaktor. Da liegt es nahe, dass sich in dieser Zeit auch die Pferdefütterung weiterentwickelt. Viele Firmen bieten heute Futter für jede Lebenslage an: Ob Spanier, Ekzemer oder Rennpferd – für jede Sportart, jedes Krankheitsbild und jede Rasse kann der Pferdebesitzer ein speziell auf die Bedürfnisse des Tieres abgestimmtes Müsli oder spezielle Pellets kaufen. Meldet man sich zu einem Fütterungsseminar an oder macht eine Ausbildung zum Pferdewirt, geht es auch in Zeiten der immer größer werdenden Anhängerschaft von Freizeitreiterei und Offenstallhaltung immer noch um Rationsberechnung für die Fütterung von Hochleistungs-Sportpferden. Ist das zeitgemäß und praxisnah? Wir füttern heute energiereicher als je zuvor und haben Pferde, die sich weniger bewegen als ihre Artgenossen in den vergangenen Jahrhunderten. Wie viele Pferde werden heute tatsächlich so weit sportlich gefordert, dass sie nicht nur mit Heu und hin und wieder etwas Hafer auskommen? Und wenn unsere Fütterung nicht mehr zeitgemäß ist, wie sieht dann ein an die heutigen Bedürfnisse angepasstes Pferdefütterungssytem aus?

Prof. Dr. Annette Zeyner von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hält es für einen Trugschluss, dass Sportpferde nicht auch einen hohen Teil ihres Energiebedarfes über Grobfuttermittel decken können. Unter Grobfutter versteht sie Grünfutter, Grünfutterkonserven (Heulage, Silage), Heu und Stroh. Sie verweist auf Untersuchungen von Prof. Dr. Ellen Kienzle (Ludwig-Maximilians-Universität München), die zeigten, dass Springpferde aus den erfolgreichsten Springställen ihren Energieerhaltungsbedarf nur aus Grobfuttermitteln decken konnten. Auch Prof. Dr. Anna Jansson (University of Agricultural Sciences, Uppsala, Schweden) fand in ihren Experimenten heraus, dass sowohl junge als auch erfahrene Trabrennpferde ohne Leistungsminderung mit Rationen gefüttert werden können, die einen sehr hohen Anteil Grobfutter in der Ration aufweisen. Rationsberechnungen auf Grundlage von Getreide oder Mischfutter (Pellets, Müsli) vorzunehmen sieht Zeyner kritisch. Diese aber als passende Ergänzung zum Grobfutter zu füttern hält sie für eine sinnvolle und hoch willkommene Ergänzung. Hier sei viel Sachverstand gefagt.

Mindestens zwölf Stunden Grobfutteraufnahme

„Verhaltensbiologisch betrachtet, sind beim Pferd mindestens zwölf Stunden Grobfutteraufnahme nötig“, erklärt Zeyner weiter. Da dies aber nicht immer möglich ist, zum Beispiel wegen Verfettungsneigung, sollten sie wenigstens soviel Grobfutter erhalten, dass sie ihren Erhaltungsbedarf an Energie allein darüber decken können. Sie plädiert nach den aktuellsten Erkenntnissen dafür, immer Analysen des Grobfutters zu machen, um einschätzen zu können, was eigentlich vom Pferd zu sich genommen wird und was man ergänzen muss.

Außerdem verweist sie auf den Tierschutz: „Da Rationen, die aus Mischfutter und Stroh bestehen, wie sie heute noch vereinzelt üblich sind, Verstopfungskoliken begünstigen, sollte es diesen Rationstypen nicht mehr geben.“ Pro 100 kg Körpermasse sollte ein Pferd maximal 1 kg Stroh fressen und zudem gut bewegt werden, um Verstopfungskoliken vorzubeugen, erklärt Prof. Dr Zeyner und differenziert: „ Stroh aus der Einstreu ist in Ordnung und außer bei chronisch hustenden Pferden sogar erwünscht. Auch aus großzügiger Stroheinstreu nimmt ein Pferd diese Menge an Stroh normalerweise nicht auf, wenn es ausreichend Heu, Heulage oder Grünfutter erhält.“

Auch Dr. Christina Fritz sieht die in vielen Ställen gefütterten Kraftfuttermengen kritisch: „Nur sehr wenige Pferde benötigen mehr als Heu und ein wenig Hafer. Der überwiegende Teil der Pferde hat schon über das Grundfutter eine höhere Energiezufuhr, als über die ‚Arbeit‘ verbraucht wird. Das gilt auch für Sportreiter im Amateurbereich.“ Sie sieht, dass allzu oft am Heu gespart wird, damit das Pferd nicht zu dick wird bei gleichzeitiger hoher Kraftfuttergabe „weil es ja ein Sportpferd ist“. Diese Fütterung sei jedoch für Verdauung und Stoffwechsel des Pferdes nicht geeignet.

Dipl.-Ing. agr. Otfried Lengwenat erklärt dazu: „Pferde, die Heu und Gras fressen, bekommen zwar einen dickeren Bauch, das liegt aber daran, dass im Verdauungstrakt dieser Tiere mehr Wasser gebunden wird. Ein 600 Kilogramm schweres Tier bindet 150 Kilogramm Flüssigkeit im Darm. Das ist positiv, weil viele Elektrolyte gespeichert werden.“ Er verweist auf Studien, in denen gerade diese Pferde auf großen Distanzen viel besser abschneiden, als Pferde, die mit Kraftfutter gefüttert werden. Der einzige Nachteil, schmunzelt Lengwenat, sei bei einer solchen Fütterung, dass man häufiger nachgurten müsse.

Er empfiehlt Pferdebesitzern auf den Body Condition Score ihres Pferdes zu achten. Dafür gibt es ein speziell ausgearbeitetes Beurteilungs-System. Zu dick ist ein Pferd danach, wenn die Rippen beim Abtasten nicht mehr zu fühlen sind. Lengwenat plädiert für ein „Zurück zur Natur“. Das bedeutet für ihn, Pferde wieder nach den natürlichen Gegebenheiten und dem Jahreszeitenwechsel zu ernähren. „In der Natur mussten die Pferde sich den Gegebenheiten anpassen. Die Geburten waren alle im Frühjahr. Dann hat die Stute mit Gras genug Nährstoffe, die für die Milchbildung wichtig sind. Deshalb ist es sinnvoll Fohlen im Frühjahr zu bekommen. So können keine Mangelsituationen aufkommen. Stehen auf der Weide Bäume, von denen das Pferd Äste oder Laub fressen kann, ist eventuell sogar das Mineralfutter überflüssig.“

Heu ad libitum hat immer noch Seltenheitswert

Als Pferdebesitzer steht man nun ziemlich aufgeschmissen da: Vielleicht findet man einen Stall, in dem Heu ad libitum angeboten wird. Das sollte nach diesen neuesten Erkenntnissen eigentlich zum Standart werden, hat aber immer noch Seltenheitswert. Doch, kann es immer noch sein, dass meinem Pferd etwas fehlt, obwohl es ausreichend Heu bekommt? Ein guter Betrieb analysiert Boden und Heu und könnte so feststellen, was eventuell zugefüttert werden muss.

Doch was, wenn Analysen nicht möglich sind, da nicht nachvollziehbar ist, wann welche Charge gefüttert wird? Ist es seriös von Futterberatern da eine Beratung durchzuführen und worauf sollte ich bei der Wahl des Futterberaters achten?

Dr. Tanja Romanazzi rät: „Man sollte sich bei Futterberatern nicht auf die Firmenvertreter verlassen, sondern eine unabhängige Beratung in Anspruch nehmen.“ Auch ist sie der Meinung, dass Berechnungen von Futterrationen eine Sicherheit vortäuschen, die gar nicht da ist. „Weder weiß man den genauen Bedarf des individuellen Pferdes zu dem Zeitpunkt, noch weiß man, in welchem Maß künstliche Zusatzstoffe überhaupt aufgenommen und verwertet werden können.“

Auch Dr. Christina Fritz sieht viele Futterberatungen kritisch: „Nur sehr wenige Futterberater lassen über einen längeren Zeitraum ein Trainingstagebuch führen und werten den Energieverbrauch aus. Dazu kommt, dass kaum ein Futterberater das Heu auf seinen Energiegehalt untersuchen lässt und die tatsächlich gefütterte Heumenge abwiegt und in den Plan einbezieht.“ Sie meint, dass ein Futterplan, nur weil er mit 20 Komponenten aufwartet und bis auf die zweite Kommastelle genaue Mengenangaben enthalten sind noch lange nicht gut und für das Pferd passend sein muss.

Dass die meisten Futterberater nach Grundfuttertabellen beraten, ist Dipl-Ing. agr. Lengwenat ein Dorn im Auge: „Das ist nicht sinnvoll, da es zu große regionale Unterschiede gibt. Die Inhaltsstoffe sind unterschiedlich je nach botanischer Zusammensetzung, nach Düngeintensität, nach Bodenart etc. Die Leute meckern sofort, wenn beim Mischfutter etwas in der Analyse nicht stimmt aber beim Wichtigsten, dem Grundfutter, werden keine Analysen gemacht.“ Auch er rät, viel Heu zu füttern und mit Hilfe von Heuanalysewerten zu beurteilen, welche Nährstoffe ergänzt werden müssen. Er hat ein Computerprogramm entwickelt, das hier zur Futterberatung ansetzt: Der Pferdehalter kann Heuanalysedaten, Infos zum Pferd und Futtermittel individuell eingeben und wird dann online gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem Betrieb in dem das Pferd steht, unabhängig beraten.

Stellt sich noch die Frage, ob Blutuntersuchungen Aufschluss über das geben können, was dem Pferd eventuell fehlt. Auch hier sind sich alle Experten einig. „Blutanalysen sind ein wertvolles Hilfsmittel, insbesondere bei bereits stoffwechselkranken Pferden. Aber nur aufgrund eines Blutbildes einen Futterplan zu erstellen ist nicht möglich. Sie können und dürfen immer nur im Zusammenhang mit dem klinischen Bild (also der Symptomatik) und der Vorgeschichte des Pferdes betrachtet werden“, fasst Dr Christina Fritz zusammen. Und Dr. Tanja Romanazzi ergänzt: „Es gibt Spurenelemente, deren Gehalt im Blut konstant gehalten wird. Bei einem Mangelzustand wird dieses Element dann aus den Geweben herausgelöst. Daher haben Blutanalysen nur eine begrenzte Aussagekraft.“

Das neue System

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Wir steuern auf das Pferdefütterungssystem 4.0 zu, das sich am System 1.0- der natürlichen Fütterung mit den Jahreszeiten- orientiert. Das neue System versucht mit Hilfe von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Heuanalysen sowie darauf abgestimmten Nährstoffergänzungen der geänderten Bedarfssituation von Pferden Rechnung zu tragen. Dabei berücksichtigt es, dass sich unsere Pferde im Vergleich zu ihren Artgenossen in vergangenen Jahrhunderten weniger bewegen und nicht die Möglichkeit haben, ihrem natürlichen Wanderungsverhalten von mehreren Kilometern pro Tag nachzukommen. Außerdem verzichtet es meist ganz auf Getreide. Immer häufiger wird versucht im Rahmen der Möglichkeiten natürliche Bedingungen zu schaffen, in denen Pferde auch Laub und Zweige zu sich nehmen können. Außerdem geht der Trend hin zu einer großzügigen Fütterung von Heu, dessen Schnittzeitpunkt** und Fruktangehalt dem Energiebedarf und der Verdauung der zu fütternden Tiere angepasst ist. Wo die Reise noch hingeht? Wir können gespannt sein.

**Wenn Sie mehr wissen wollen zum Thema „Heuschnittpunkte und Ad Libitum Heufütterung“ lesen Sie auch den Artikel „Ins Netz gegangen“ , der im Dezember 2014 in FEINE HILFEN 08 erschien.

* Quelle geschichtliche Daten der Pferdefütterung: Helmut Meyer und Manfred Coenen, Pferdefütterung, Parey Buchverlag im Blackwell Wissenschafts-Verlag GmbH, 4. erw. und aktualisierte Auflage, 2002

Feine Hilfen Ausgabe 13 Cover

Feine Hilfen- was für ein Heft ist das?

„Feine Hilfen“ ist eine neue Mischung aus Buch und Magazin- also ein Bookazin. Es erscheint jeden zweiten Monat im Cadmos Verlag und ist für Reiter gedacht, die ihre Pferde im Sinne der klassischen Reitkunst- also artgerecht und mit dem Ziel der gesunderhaltenden Gymnastizierung- halten, ausbilden und trainieren möchten. Dabei stehen in den Artikeln des Bookazins sowohl psychische als auch physische Besonderheiten des Wesens “Pferd” im Fokus. Renommierte Ausbilder wie z.B. Thomas Ritter, Marlitt Wendt, Kathrin Brunner-Schwer oder Sibylle Wiemer, um nur einige zu nennen, schreiben und philosophieren hier über unser liebstes Thema.

Wer mehr als nur meinen Artikel lesen möchte kann das Feine Hilfen Bookazin HIER bestellen.

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Richard Hinrichs: Wie motiviere ich mein Pferd? Teil 1

Der Frage „Wie motiviere ich mein Pferd?“ stellte sich an diesem Wochenende ein Fortbildungs-Seminar bei Richard Hinrichs in Fuhrberg, an dem ich teilgenommen habe. Richard Hinrichs nahm sich für eine umfassende Beantwortung dieser Frage den kompletten Tag Zeit und ging gemeinsam mit seiner Frau Irene Raab-Hinrichs, seinen Pferden und einem Team aus Reitern und ihren Pferden auf verschiedene Aspekte des Motivierens ein. Davon möchte ich Euch hier gerne berichten.

Im Zentrum seiner Ausführungen stand die Erkenntnis:

„Motivieren kann man durch das in Aussicht stellen eines Vorteils oder das Vermeiden eines Nachteils.“

— Richard Hinrichs

Doch was bedeutet das eigentlich konkret? Und was muss ich dabei beachten?

Gehen wir zunächst auf die genannten Möglichkeiten der Motivierung ein: Für das Motivieren durch das „in Aussicht stellen eines Vorteils“ bietet sich prinzipiell als einfachste Erklärung das Futterlob an. Wenn also mein Pferd etwas gut macht, belohne ich es mit einem Leckerli. Mein Pferd wird schnell verstehen: Ich bekomme etwas Leckeres, wenn ich kooperiere. Beim Reiten wird das mit dem Futterlob jedoch schnell schwierig. Gebe ich jedes Mal ein Futterlob, lernt mein Pferd eventuell sich ständig zu mir umzudrehen. Außerdem muss das Futterlob innerhalb von drei Sekunden vom Pferd mit der zu belohnenden Aktion in Verbindung gebracht werden. Sonst verbindet es das Lob z.B. eher mit dem, was es kurz vor dem Lob zuletzt getan hat.
Auf diese Form des Lobes ging Richard Hinrichs, wahrscheinlich aus diesen Gründen, in seinen Ausführungen auch nicht ein. An der Hand sah ich mehrfach, dass er bei einigen Pferden auch das Futterlob nutzte. Der in Aussicht zu stellende Vorteil für das Reitpferd steht für ihn jedoch eher im Zusammenhang mit der Aussicht auf geringere Anstrengung.

Das ist logisch: Die gymnastizierende Arbeit unter dem Reiter beinhaltet Aspekte der Koordinationsschulung und des Krafttrainings. Beide Aspekte sind für das Pferd primär erstmal anstrengend. Es muss sich konzentrieren und seine Muskeln werden beansprucht.

Also kann ich als Reiter das Wissen um die Anstrengung nutzen, indem ich die Erarbeitung von Lektionen so aufbaue, dass sie dem Pferd nicht anstrengend erscheinen. Ein gutes Beispiel hierfür war am Seminartag eine Reiterin auf einem Friesen, die eine Galopp-Pirouette trainieren wollte.

Sie begann die Arbeit mit einer Schritt-Pirouette. Das Pferd muss sich dabei auf die Koordination in der Pirouette konzentrieren- anstrengend! Nach einer Viertel-Pirouette im Schritt, gab die Reiterin die Galopphilfe und das Pferd durfte die Lektion mit einem Galoppsprung beenden. Ergebnis: Das Pferd lernt so, dass der Galoppsprung das Ende der Anstrengung bedeutet. Es wird den einen Galoppsprung als Erleichterung empfinden, obwohl die Pirouette im Galopp später eigentlich kräfteraubender ist, als im Schritt. Im Idealfall freut sich das Pferd aber durch diese Vorgehensweise schon auf den einen Galoppsprung, weil es dann weiß, dass es seine Sache gut gemacht hat und aufhören darf.

„Würde ich am Anfang schon mehrere Galoppsprünge verlangen, dann denkt das Pferd: „Ohje wie anstrengend, die hört ja nie mehr auf damit“. Ich zeige ihm ein Licht am Ende des Tunnels.“

— Richard Hinrichs

Die Motivation durch „In Aussicht stellen eines Vorteils“ haben wir jetzt verstanden. Die zweite von Richard Hinrichs genannte Möglichkeit ist das „Vermeiden eines Nachteils“. Auch hierfür gab es schöne Beispiele. So erklärte Hinrichs anhand eines Pferdes, das im Trab zu unruhig war, dieses Prinzip. Er ließ das Pferd zum Schritt durchparieren und wieder antraben.

„Dieses Pferd war mir eben etwas zu übermütig. Deswegen habe ich es zurück geführt in den Schritt. Ein solcher Übergang setzt eine hohe Koordinationsfähigkeit des Pferdes voraus. Wenn ich viele Übergänge reite, ist das für das Pferd anstrengender, als wenn wir einfach in einem ruhigen Tempo traben.“

— Richard Hinrichs

Er stellte also dem Pferd in Aussicht: Wir können doch ganz ruhig traben, das ist doch angenehmer als die anstrengenden Übergänge.

Wichtig für beide Aspekte des Motivierens ist natürlich, dass der Reiter weiß, was sein Pferd leisten kann und dementsprechend handelt. Dabei müssen Exterieur und Interieur des Pferdes berücksichtigt werden sowie der Trainingsstand. Ein Pferd das z.B. wie das zuletzt erwähnte Pferd besonders viel Bewegungsdrang hat, motiviere ich eventuell eher durch ein frischeres Tempo im Anschluss an eine versammelnde Übung. Ein phlegmatischeres Pferd, motiviere ich eher durch die Aussicht auf völlige Ruhe. Auch darauf muss ich eingehen können.

Richard Hinrichs nennt in diesem Zusammenhang noch einen weiteren Aspekt der Motivation: Den Reiter selbst. Der Mensch muss entspannt sein.

„Bin ich entspannt, entspannt sich auch mein Pferd.“

— Richard Hinrichs

Dazu gehört, dass der Reiter sich selbst und das Pferd nicht mit seinen Erwartungen unnötig unter Druck setzt. Als Mensch sollten wir, nicht denken: „Warum hast Du denn nicht die Kraft diese Lektion auszuführen, komm weiter und noch mehr und noch mehr.“ Sondern wir sollten lieber denken:

„Komm, mach die lächerlichen zwei Galoppsprünge und dann bist du fertig.“

— Richard Hinrichs

Hinrichs ist überzeugt davon, dass die Pferde diesen völlig anderen Ansatz sehr positiv aufnehmen. Ich muss also gucken, dass das, was ich von ihnen möchte, von den Pferden nicht als größere Anstrengung angesehen wird, sondern als durchführbar und ich sollte das positive Bild von der geringeren Anstrengung als Gedanken in mir tragen.

Dabei weist Hinrichs außerdem auf zwei Grundemotionen hin, die stets zu berücksichtigen sind: Liebe und Furcht. Um das Pferd als Fluchttier dazu zu bringen, mit uns zu kooperieren, benötigen wir sein Vertrauen. Nur wenn das Pferd uns vertraut, können wir uns auch in heiklen Situationen auf das Pferd verlassen.

„Wenn ich in jeder Situation konsequent bleibe und nicht ungerecht werden, dann baue ich mir Vertrauen auf.“

— Richard Hinrichs

Liebe besiegt also die Furcht. Das so gewonnene Vertrauen wiederum sorgt auch beim Pferd für Motivation. Haben wir als Menschen in einer für das Pferd beängstigenden Situation, unsere eigenen Emotionen im Griff, reagieren gelassen und konsequent und bieten dem Pferd damit einen Rahmen in dem es sich trotz der vermeintlichen Gefahr entspannen kann, verbessern wir das Vertrauensverhältnis zu unserem Partner Pferd und das Pferd wird die Möglichkeit haben, sich auf uns und das, was wir in dem Moment möchten, zu konzentrieren.

Und das führt uns wieder zu dem Punkt zurück, an dem wir berücksichtigen müssen, mit was für einem Typ Pferd wir es zu tun haben. Das eine ist vielleicht ängstlicher und benötigt mehr Sicherheit vom Menschen, das andere Pferd ist selbstbewusster und kommt mit den unterschiedlichsten Situationen gut klar. Was Richard Hinrichs uns in diesem Zusammenhang zu den Themen Anlehnung und Takt im Zusammenhang mit Motivation erzählt hat, lest Ihr demnächst im zweiten Teil dieses Berichtes.

Foto: Mireta von Rantzau

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Was haben Renvers und Travers mit dem Galopp zu tun?

Neulich kam im Unterricht die Frage auf, weshalb einige klassische Ausbilder meinen, dass der Galopp erst erarbeitet werden soll, wenn das Pferd Renvers und Travers in Schritt und Trab unter dem Reiter sicher beherrscht.

Die Ausbilder, um die es dabei in erster Linie geht, sind alte Bekannte: De la Guérinière ist einer von ihnen und auch Gustav Steinbrecht vertrat, je nach Pferdetyp, Interieur und Exterieur, diesen Ansatz.

Das Thema ist spannend, weil etwas komplizierter: Es geht um Fußfolgen, Gleichgewicht, Schiefe und die richtige Gymnastizierung des Pferdes. Kurzum: es geht eigentlich genau um das, was Dressur eigentlich ist und wofür sie da ist.

Um das Thema ganz genau erklären zu können, habe ich mich selbst noch einmal mit Richard Hinrichs, Dominique Belaud, Dr. Thomas Ritter und Johannes Beck-Broichsitter darüber unterhalten. Bei ihnen möchte ich mich hier an dieser Stelle schon mal ganz herzlich für Ihre Erklärungen bedanken.

Seitengänge- was ist das eigentlich?

Um dahinter zu kommen, was die klassischen Ausbilder meinen, muss ich erst einmal auf die verschiedenen Seitengänge und ihren gymnastischen Nutzen eingehen. Wer sich noch genauer mit der Materie beschäftigen möchte, dem empfehle ich am Ende dieses Artikels einige Bücher, die sich ausgiebig mit den Seitengängen und ihrer Erarbeitung sowie mit dem Galopp beschäftigen. Besonders hervorheben möchte ich jetzt schon das Buch „Seitwärts unterwegs“ von Johannes Beck-Broichsitter, das im CADMOS Verlag erschienen ist. Es ist eins meiner absoluten Lieblingsbücher, weil es alle Seitengänge sehr anschaulich und ausführlich beschreibt und sich dabei nicht in irgendwelchen komplizierten „Links-Rechts“-Erklärungen verliert (ja ich habe da so meine Probleme. Mir persönlich ist beim Reiten „innen und außen“ als Beschreibung sehr viel lieber, um schnell nachvollziehen zu können, was ich machen muss. Außerdem bin ich selbst ein Mensch, der viel über optische Eindrücke erschließt. Herrn Beck-Broichsitter ist diese Verständnis-Problematik durch jahrelange Arbeit mit Reitschülerinnen und Traineranwärterinnen durchaus bekannt, wie ich im Trainerlehrgang bei ihm erfahren durfte. Daran liegt es sicher, dass er diese Dinge in seinem Buch so besonders verständlich und hübsch und auch mit anschaulichen Bildchen erklärt.).

Zu den echten Seitengängen gehören Schulterherein, Konter-Schulterherein, Renvers und Travers sowie Traversalverschiebungen. In den Seitengängen ist das Pferd gestellt und gebogen und bewegt sich auf drei oder vier Hufspuren „in einer ständigen Vorwärts-Seitwärts-Bewegung in Versammlung“ (aus Johannes Beck-Broichsitter, Seitwärts unterwegs, CADMOS). Man unterscheidet zwischen unterschiedlichen Abstellungswinkeln.

Trabstellung und Galoppstellung

Manche von Euch haben vielleicht schonmal was von der Trabstellung und der Galoppstellung gehört. Diese Bezeichnungen wurden von Gustav Steinbrecht in seinem Werk „Gymnasium des Pferdes“ verwendet und werden heute nur noch selten benutzt. Unter der Trabstellung verstand Steinbrecht das Schultervor. Mit der „Galoppstellung“ bezeichnete er das „In Stellung reiten“.

Aber warum nannte er diese beiden Lektionen so und was haben sie mit Renvers und Travers zu tun?

Streng genommen sind „Schultervor“ und „In Stellung reiten“ keine Seitengänge. Sie sind, sagen wir mal „die kleinen Schwestern“ von „Schulterherein“ und „Travers“. Das Schultervor ist quasi eine Vorübung für das Schulterherein. Statt auf drei oder vier Hufspuren, bewegt sich das Pferd weiterhin auf zwei Hufspuren. Das innere Hinterbein tritt dabei aber vermehrt unter den Schwerpunkt in Richtung zwischen die Vorderbeine. Das innere Hinterbein wird also zu vermehrtem Schub angeregt. Dieser ist aber noch nicht so stark wie beim später gerittenen Schulterherein, weswegen sich das Schultervor hervorragend zur schonenden Vorbereitung des jungen Pferdes auf das Schulterherein eignet. Weil das Schulterherein eine diagonale Fußfolge wie im Trab fördert, da hier das innere Beinpaar vorwärts und seitwärts tritt, nennt Steinbrecht die Vorstufe des Schulterhereins- also das heute so genante Schultervor auch „Trabstellung“.

Beim „In Stellung reiten“ ändert sich die Bewegungsrichtung der Hinterbeine: Wie später im Travers, wird hier das äußere Hinterbein zur vermehrten Schubaufnahme angeregt. Aber wie beim Schultervor, fußt das Pferd auch bei dieser Lektion nicht auf vier Hufspuren wie es im Travers üblich wär. Es wird lediglich das äußere Hinterbein zur vermehrten Schubaufnahme durch stärkeres „unter den Schwerpunkt treten“ angeregt. Bei dieser Lektion wird ein Betrachter von vorne das äußere Hinterbein zwischen den Vorderbeinen erkennen können.

Dr Thomas Ritter erklärt in seinem Buch „Klassisches Reiten auf Grundlagen der Biomechanik“:

„Vom allgemeinen, systematischen Standpunkt aus gesehen kann man festhalten, dass das Hinterbein, das im Seitengang übertritt, das vermehrt schiebende ist, wohingegen das gegenüberliegende Hinterbein, das sich im Augenblick des Kreuzes am Boden befindet, das die Last vermehrt stützende ist. Das ist für den praktischen Reiter aus folgenden Gründen von größter Bedeutung: In den schulterhereinartigen Seitengängen ist der äußere Hinterfuss der vermehrt tragende, während der innere Hinterfuss der vermehrt schiebende ist. In den traversartigen Seitengängen ist der innere Hinterfuss der vermehrt tragende, während der äußere Hinterfuss der vermehrt schiebende ist.“

— Dr. Thomas Ritter

Die großen Schwestern: Renvers und Travers

Wenn man nun also weiter nachdenkt, leuchtet es ein, dass Renvers und Travers, als weiterführende Schwester-Übungen des „In-Stellung-Reitens“ den Galopp weiter fördern und vorbereiten. Im Travers wird das äußere Hinterbein wie beim Angaloppieren in die Lage gebracht, vermehrt vorzugreifen. Das Pferd findet daher in dieser Stellung leichter die richtige Fußfolge zum Angaloppieren. Warum das so ist? Ganz einfach: Der Galopp wird in der Fußfolge vom äußeren Hinterbein eingeleitet. Das innere Hinterbein nimmt in der nächsten Galoppphase vermehrt Last auf, wie auch im Travers.

Noch weiter gedacht, ist es dann auch nur noch ein kleiner Schritt, zu verstehen, warum es durchaus Sinn macht, fliegende Galoppwechsel in der späteren Ausbildung durch ein Renvers einzuleiten. Dadurch, dass im Wechsel vom Handgalopp zum Renvers das vorschiebende Hinterbein wechselt, springt so das Pferd automatisch mit der Hinterhand zuerst um.

„Das wirkliche, auf dem richtigen Schulterherein gegründete Renvers ist hingegen in allen seinen Abstufungen eine ebenso schöne als wirksame Übung für das Pferd. Es findet seine vollständige Erklärung durch die Bezeichnung Konter-Travers und ist dem Schulterherein insofern verwandt, als bei beiden die Hinterhand auf den äußeren Hufschlag gerichtet ist, insofern aber entgegengesetzt, als die Biegung im Renvers in der Richtung der Fortbewegung des Pferdes genommen wird, wodurch sie der Seitwärtsbewegung der Kruppe entgegenwirkt. Hierdurch gibt diese Lektion, ebenso wie das Travers, dem Reiter eine große Gewalt, das innere Hinterbein durch den Grad der Biegung- sofern diese nämlich richtig ist- überwachen zu können. Da das Renvers denselben starken Grad von Versammlung erfordert wie das Travers, und die stark belastete Hinterhand dennoch räumiger treten muss als die auf die innere Linie gerichtete Vorhand, so erfordert es lebhaftes und kräftiges Arbeiten der Hinterbeine.“

— Gustav Steinbrech, Gymnasium des Pferdes

„Namentlich muss der Reiter sich vor der Galopparbeit bemühen, auch in dieser Lektion (Anm. der Autorin: Er spricht hier über die verschiedenen Abstellungen des Renvers), den Trab sicher zu begründen. Er erinnere sich dabei stets, dass sowohl die Trab- wie die Galoppstellung ihren Namen von der Verwandtschaft mit den betreffenden Gangarten haben, und dass daher eine wahre Prüfung der in diesen Grundgangarten gewonnenen Sicherheit nur in der umgekehrten Anwendung beider Lektionen liegen kann. Ich kann es nicht oft genug wiederholen, dass ebenso wie der Galopp an Vollkommenheit gewinnt, je mehr er sich der Trabstellung nähert, so auch der Trab sich verbessert, je sicherer er in den Travers und Renvers-Stellungen ausgebildet ist. Der beste Beweis dafür, dass der Galopp nicht zu frühzeitig, zu überwiegend oder falsch geübt wurde, ist immer die Tatsache, dass er der Trabbewegung in jenen Lektionen nichts von ihrer Frische und Reinheit geraubt hat.“

— Gustav Steinbrech, Gymnasium des Pferdes

„Eine Regel, die von allen geschickten Reitern beobachtet wird, ist: dass man niemals eher ein Pferd in Galopp setzen muss, bis es durch den Trab so gelenks gemacht ist, dass es sich von selbst, ohne in die Hand zu drücken oder zu ziehen, zum Galopp zeigt; man muss demnach warten, bis sein Körper biegsam ist, bis es in der Schule Schulter einwärts seine Schenkel zirkelförmig zu bewegen gelernt hat, bis es der Schule Kruppe an die Mauer (Renvers), den Schenkeln folgt, und bis es durch den stolzen Tritt (Piaffe) in den Pilaren leicht geworden ist. Sobald es zu diesem Grad von Gehorsam gekommen ist, so bedarf es nur geringer Hülfe, um es in den Galopp zu bringen, und es wird dieses mit Vergnügen tun.“

— Francois Robichon de la Guérinière

De la Guérinière ging noch weiter: Er empfahl, das Pferd im Schulterherein zu galoppieren, um seiner natürlichen Schiefe entgegen zu wirken. Die positive Wirkung des Schulterhereins im Galopp erklärt er dadurch, dass das Pferd durch diese Lektion lernt, sich weiter in den Hanken zu setzen. Dadurch wurde ein schön gesetzter Bergaufgalopp trainiert, der nicht möglich wäre, wenn das Pferd, wie es viele Pferde tun, das innere Hinterbein weit nach vorne setzt und damit von der Linie des Vorderbeins abweicht.

Geduld mit der Muskulatur von jungen Pferden

Jedem jungen Pferd sollte man also die Zeit geben, die Muskulatur der Hinterhand für einen getragenen Galopp zu trainieren. Immer sollte der Reiter im Hinterkopf haben, dass jeder Sprung zuviel die Losgelassenheit und die Motivation des Pferdes beeinträchtigen kann. Ein verspannter Galopp hat keinen gymnastischen Nutzen für das Pferd und ist unbequem zu sitzen. Außerdem birgt ein Zuviel immer die Gefahr, dass wir durch die entstehenden Verspannungen eher mit Rückschritten kämpfen müssen, als mit einem Fortschritt in der Arbeit.

Steinbrecht weist in seinem Werk darauf hin, dass die alten Meister schon erkannt hatten, dass die Reinheit des Travers im Trab überprüft werden müsse und sie den Galopp zur Probe des Schulterhereins nutzten. So wurde der Galopp nicht im Travers geritten, bevor der Reiter nicht das innere Hinterbein durch gezieltes Travers in einem reinen und versammelten Trab vollkommen beherrschte. Steinbrecht erinnert hier auch noch einmal ganz explizit, dass der Reiter den Abstellungsgrad von Schulterherein und Travers immer an den möglichen Versammlungsgrad und Trainingsstand seines Pferdes anpassen muss. Je höher die Abstellung, desto höher die Versammlung in den Seitengängen, da durch die Biegung und Stellung vorne, hinten die Beine dazu veranlasst werden, kürzer zu treten, da der Weg, den die Hinterhand auf der Linie zurücklegt kürzer ist als der der Vorderhand.

Dr. Thomas Ritter schrieb mir zu diesem Thema noch:

„Steinbrecht hat durchaus recht, mit dem, was er sagt. Der Galopp hat in Fußfolge und Stellung eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Kruppeherein. Daher sieht man so viele Pferde, die im Galopp mit der Kruppe nach innen ausweichen und auf drei Hufschlägen galoppieren. Gibt man dem Pferd eine Schultervorstellung im Galopp, ist es besser geradegerichtet. Im Trab weichen viele Pferde auf Grund ihrer Schiefe gerne im Kruppeherein und in der Traversale in den Galopp aus. Das ist dann immer auch ein Zeichen einer gewissen Undurchlässigkeit, die wieder in engem Zusammenhang mit der Schiefe steht. Bleibt das Pferd in den traversartigen Seitengängen im Trab, ist das ein ganz gutes Zeichen.

De la Guérinière empfiehlt, mit der Galopparbeit so lange zu warten, bis das Pferd alle Seitengänge im Trab, sowie Piaffe und Passage beherrscht – wahrscheinlich ein Indiz dafür, dass die Pferde seiner Zeit keine gute natürliche Galoppade hatten und viel Zeit und Mühe kosteten, bis sie sich im Galopp ausbalancieren konnten.“

— Dr. Thomas Ritter

Ihr seht also: Dieses komplexe Thema ist durchaus essentiell für die Ausbildung unserer Pferde und wird zu Unrecht häufig vernachlässigt. Hat man das Prinzip und die biomechanischen Gründe für die gymnastizierende Wirkung der Trab- und der Galoppstellung und damit auch von Schulterherein, Renvers und Travers aber erst einmal durchschaut, ist das Vorgehen sehr logisch und es erleichtert bei konsequenter Anwendung die Ausbildung des Pferdes enorm.

Buchempfehlungen:

Johannes Beck-Broichsitter: Seitwärts unterwegs, CADMOS

Dr Thomas Ritter: Klassisches Reiten auf Grundlage der Biomechanik, CADMOS

F.R. de la Guérinière: Reitkunst

Gustav Steinbrecht: Gymnasium des Pferdes, FN Verlag

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Feine Hilfen: Kräuter und Wiese

Aus der Ausgabe 10

Immer mehr Ställe bieten artgerechte Haltungsformen mit viel Weidegang. Gleichzeitig leiden immer mehr Pferde an Wohlstandserkrankungen. Können wir die Vegetation von Pferdeweiden so beeinflussen, dass die Zusammensetzung des Wiesenaufwuchses pferdegerechter wird?

Fast Food macht krank. Was für uns Menschen zutrifft, gilt auch für Pferde. Zuckerhaltige und einseitige Ernährung führt auch bei ihnen zu Adipositas. Heute leiden schon 50% unserer Freizeitpferde an dieser Erkrankung.

Und Adipositas- also Fettleibigkeit- führt genau wie bei uns Menschen auch beim Pferd zu weiteren Erkrankungen: Cushing, EMS und Sommerekzem sind drei Begriffe, von denen die meisten Reiter und Pferdebesitzer vor einigen Jahren nur eine vage Vorstellung hatten. Heute gehören diese Diagnosen beim Tierarzt zum Standart und der Markt mit entsprechenden, auf die Bedürfnisse von erkrankten Pferden abgestimmten Futtermitteln, boomt. Doch woran liegt das? Hat sich etwas verändert in den letzten Jahren?

So beginnt mein Artikel über die Wiesenaufwuchs und Kräuterbeisaaten in Ausgabe 10 des Bookazins “Feine Hilfen”. Ich beschreibe darin, was für Schwierigkeiten die immer populäreren artgerechten Haltungsformen mit sich bringen und warum Pferde ein besonderes Weidemanagement benötigen. Außerdem informiere ich über die neuesten Erkenntnisse zu Kräuterbeisaaten und inwiefern diese der Wiese nachhaltig beigesät werden können.

Feine Hilfen Ausgabe 10 Cover

Feine Hilfen- was für ein Heft ist das?

„Feine Hilfen“ ist eine neue Mischung aus Buch und Magazin- also ein Bookazin. Es erscheint jeden zweiten Monat im Cadmos Verlag und ist für Reiter gedacht, die ihre Pferde im Sinne der klassischen Reitkunst- also artgerecht und mit dem Ziel der gesunderhaltenden Gymnastizierung- halten, ausbilden und trainieren möchten. Dabei stehen in den Artikeln des Bookazins sowohl psychische als auch physische Besonderheiten des Wesens “Pferd” im Fokus. Renommierte Ausbilder wie z.B. Thomas Ritter, Marlitt Wendt, Kathrin Brunner-Schwer oder Sibylle Wiemer, um nur einige zu nennen, schreiben und philosophieren hier über unser liebstes Thema.

Wer mehr als nur meinen Artikel lesen möchte kann das Feine Hilfen Bookazin HIER bestellen.

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Zügelhilfen nach François Robichon de la Guérinière

„Herr de la Broue, und nach ihm der Herzog von Newcastle sagen: zu einer guten Hand wird erfordert, dass sie leicht, weich und stäte sei. Diese Vollkommenheit hängt aber nicht allein von der Verrichtung der Hand , sondern auch von dem Sitz des Reiters ab: denn ist der Körper wankend, oder in Unordnung, so kommt die Hand aus der Stellung, in der sie sein muss, und der Reiter ist mit nichts als seiner Haltung beschäftigt; nebst dem müssen auch die Schenkel mit der Hand übereinstimmen, weil Sonaten die Wirkung der Hand  niemals genau sein würde. Man nennt dieses in der Kunstsprache, mit Hand und Schenkel übereinstimmen (accorder la main et les talons), welches die Vollkommenheit von allen Hülfen ist“

— François Robichon de la Guérinière

Um dieses Zitat zu verstehen, müssen wir zunächst einmal wissen, dass zu Zeiten von François Robichon de la Guérinière die Zügel meist nur mit einer Hand geführt wurden. Das Ziel der klassisch barocken Reiterei ist also grundsätzlich auch das Pferd einhändig reiten zu können.

Im zweiten Teil seines Buches “École de Cavalerie” mit der Überschrift “Von der Abrichtung der Pferde zu ihrem verschiedenen Gebrauch und Bestimmung”, aus dem auch obiges Zitat stammt, geht de la Guérinière noch näher auf die Zügelhilfen ein. So erklärt er, dass das Pferd vier “Hauptgänge” habe: Vorwärts, rückwärts, linksrum und rechtsrum. Diese vier Richtungen müsse die Reiterhand entsprechend durch Nachgeben, Anhalten, Rechtswenden und Linkswenden unterstützen.

  1. Nachgeben zum Vorwärtsgehen
    Hierfür soll der Reiter die Hand etwas niedriger einstellen und sie so abwärts drehen, dass die Fingernägel leicht abwärts weisen.
  2. Anhalten
    Die Hand soll hierfür leicht zum Körper hin wirken und gleichzeitig aufwärts gedreht werden. Diese Hilfe diene dazu, ein Pferd zu parieren, eine halbe Parade zu geben oder es rückwärts treten zu lassen. Dabei soll man darauf achten, das Gewicht nicht zu sehr in die Steigbügel zu legen, sondern eher die Schultern etwas zurück zu nehmen.
  3. Die Wendung rechts
    Man führt die Hand nach rechts und dreht die Hand leicht nach oben, so dass dieFingernägel leicht aufwärts zeigen. Das führt dazu, dass der äußere Zügel- also der linke Zügel- das Pferd nach rechts führt.
  4. Die Wendung rechts
    Man führt die Hand nach links und dreht die Hand leicht abwärts, so dass die Fingernägel leicht nach unten zeigen. So wird der rechte Zügel, der auf dieser Hand der äußere Zügel ist, das Pferd führen können.

Weiter geht de la Guérinière in diesem Kapitel darauf ein, dass es unterschiedliche Formen der Zügelführung gibt. Er geht von drei Arten aus:

  1. Mit geteilten Zügeln
    Den rechten Zügel in der rechten Hand, und den linken Zügel in der linken Hand. Diese Variante empfiehlt de la Guérinière für junge Pferde, die es noch nicht gewöhnt sind, der Zügelhand zu folgen. Weiter sei sie geeignet für widersetzliche Pferde besonders für solche, die sich weigern auf einer Hand zu wenden.
  2. Beide Zügel gleichlang in der linken Hand
    Diese Art zu reiten wäre vor allem bei Campagne- und Soldatenpferden, die soweit ausgebildet sind, dass sie den Zügelhilfen folgen, zu empfehlen.
  3. Ein Zügel kürzer als der andere in der linken Hand
    Reitet man ein Pferd in der Reitbahn, so sollte immer der innere Zügel leicht kürzer sein als der äußere. François Robichon de la Guérinière denkt, dass ein Pferd in der Reitbahn gestellt und gebogen sein sollte. Er ermahnt seine Leser jedoch, den inwendigen Zügel nicht zu stark zu kürzen, da sonst das Pferd in eine falsche Anlehnung kommen würde. Außerdem würde ein zu starkes Verkürzen des inneren Zügels verhindern, dass der Reiter die Wirkung beider Zügel in seiner Hand spürt.

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