Das Wissen um die wahre Natur der Pferde ist die erste Grundlage der Reitkunst und jeder Reiter muss daraus sein Hauptfach machen.

 François Robichon de la Guérinière

Trainer für klassisch barocke Reiterei berufen sich auf die Schriften von François Robichon de la Guérinière. Um seinem oben zitierten Grund-Anspruch gerecht zu werden, müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie genau ein Pferd tickt. Grundsätzlich stellen sich hier die Fragen:

    • wie verhält es sich mit Artgenossen?
    • wie verhält es sich mit “seinem” Menschen?
    • wie bewegt es sich?
    • welche natürlichen Bedürfnisse hat es?
    • wie wurde es aufgezogen und welche Eltern hat es?
    • wie kann ich diese Informationen nutzen, um mein Pferd artgerecht und schonend auszubilden?

Genau über all diese Dinge hat sich schon François Robichon de la Guérinière Gedanken gemacht. In seinem Buch “École de Cavalerie” geht er auf diese Fragen ein und schreibt so als einer der ersten ein System zur Haltung und zur Ausbildung von Pferden bis zur hohen Schule nieder. Sein System beruht vor allem auf seinen Erfahrungen mit den Pferden, die er täglich ausbildete. Als Ecuyer du Roi (also Reitmeister von König Ludwig XV.) hatte er wahrscheinlich selten Probleme mit Exterieurmängeln. Die Pferde, die hier ausgebildet wurden, waren vom Typ her das, was wir heute “barock” nennen, sprich vor allem Pferde spanischer Herkunft, die sich leichter versammeln lassen, aber durch ihre kurzen Rücken häufiger Probleme mit der Losgelassenheit zeigen.

Für welche Pferdetypen?

Bei der klassisch barocken Reiterei in der heutigen Form stehen zwar grundsätzlich barocke Pferdetypen wie Friesen, PREs, Lippizaner oder Kladruber im Zentrum der Aufmerksamkeit und werden häufig auf Schauen präsentiert, dennoch ist diese Form der Ausbildung für alle Pferderassen und -typen geeignet. Das liegt auch daran, dass die Ausbildung zum “Trainer klassisch barocke Reiterei” sehr vielseitig ist: Neben klassischer Arbeit an der Hand und Reiten von gymnastizierenden Lektionen, wird von Seiten der FN und des BFKBR sehr viel Wert auf die Arbeit unter dem Sattel im Gelände gelegt nach Vorbild der HDv12. Basiswerke der Ausbildung zum Trainer Klassisch Barocke Reiterei sind also “École de Cavalerie” und die HDv12.

Letztere beinhaltet klar Ansätze verschiedenster Reitmeister, die zwischen dem Zeitalter des Barock und 1912, dem Entstehungsjahr der Heeresdienstvorschrift, gelebt haben. Darunter auch Ansätze von Baucher und Steinbrecht. Ebenfalls Gegenstand dieses Werkes ist die sogenannte Ausbildungsskala, deren oberstes Ziel ein Pferd, das durch systematische Gymnastizierung zu einem angenehmen durchlässigen Reitpferd wurde.

Antoine de Pluvinel

Schon de la Guérinières Vorgänger Antoine de Pluvinel erkannte, dass auch das Pferd Spaß an der Arbeit haben muss, weil es sonst nicht seine volle Schönheit unter dem Reiter entfalten würde. Spaß kann es nur haben, wenn wir verstehen, wie das Pferd lernt und wie es sich verhält und auch warum es eventuell nicht das leisten kann, was wir uns wünschen. Wir sind also angehalten das Pferd als Individuum zu sehen, das mitdenkt und versteht und uns mit seinen Bewegungen auseinander zu setzen und seinem Körperbau, um zu verstehen, was und warum wir eigentlich etwas tun. Dieser Ansatz führt bei vielen Pferden zu mehr Spaß an der Arbeit mit dem Menschen und zu größerer Motivation.

De la Guérinière sah die Reiterei als Mittel, die Bewegungen der Pferde zu vervollkommnen. Er sah die Reiterei deshalb auch als Kunst. Die wahre Kunst in unserer heutigen schnelllebigen Zeit ist es meiner Ansicht nach entgegen allem Streben nach schnellen Erfolgen wieder zurück zu den Ansätzen von Meistern wie de la Guérinière und Pluvinel zu kommen: Wir sollten uns wieder vermehrt auf das Pferd konzentrieren, ihm die Zeit geben in der Ausbildung, die es braucht, nicht zu früh anzufangen mit der Reiterei, damit die Knochen keinen Schaden nehmen und die natürlichen Bedürfnisse des Pferdes berücksichtigen um ihm die Kraft zu geben, gerne mit uns zusammen zu arbeiten.